Politologin - Teil 2

Dieser Beruf ist kein Job, den man nach acht Stunden zur Seite legt..

Was macht dir am meisten Spaß?

Am meisten Spaß macht mir der Kontakt mit Menschen, vor allem bei Interviews. In unserem Unternehmensprojekt haben wir viele Betriebsräte befragt. Da reist man dann in Orte wie Schweinfurt oder Rüsselsheim, wo man sonst nicht unbedingt hinkäme. Und man redet mit Menschen, die man sonst nicht treffen würde. Man glaubt gar nicht, wie unterschiedlich Betriebsräte sein können. Das sind besonders schöne, aber auch anstrengende Erfahrungen.

Und was macht dir am wenigsten Spaß?

Was am wenigsten Spaß macht, ist die Aufbereitung von empirischen Daten. Wenn man z.B. für 100 Unternehmen die Zahl der Auslandsbeschäftigten sucht oder die Exportquote, dann kann das sehr mühsam sein. Die Daten müssen anschließend in Statistikprogramme eingetippt werden. Wir haben für jedes Unternehmen im Laufe des Projektes Hunderte von Angaben gesucht. Das kann eine sehr mühsame und langwierige Arbeit sein, bei der man sich höllisch konzentrieren muss, weil Fehler in der Eingabe die Ergebnisse verfälschen kann. Das ist häufig nach einer Weile nervend.

Was wolltest du werden als du jünger warst?

Ich wollte lange Journalistin werden, wie fast alle PolitikwissenschaftlerInnen. Aber ich fand das dann schnell zu langweilig, weil sich JournalistInnen immer nur sehr oberflächlich mit Fragestellungen beschäftigen können. Dann kamen so Erlebnisse wie die Barschel-Affäre und der Golfkrieg, wo sich die Medien nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert haben und mit der Art ihrer Berichterstattung selbst offensiv Politik betrieben. Da wollte ich nicht mitmachen. Für die Wissenschaft habe ich mich eigentlich erst endgültig entschieden, als ich am Max-Planck-Institut war. Ich hatte es mir immer gewünscht, habe mich aber nicht wirklich getraut, weil ich dachte, dass die Zukunftsaussichten für eine Karriere in der Wissenschaft eher unsicher sind.

Würdest du deinen Beruf anderen weiterempfehlen?

Auf jeden Fall! Aber nur denen, die bereit sind, ihn auch ein bisschen als Berufung anzuerkennen. Das hört sich pathetisch an, ist aber so. Dieser Beruf ist kein Job, den man nach acht Stunden zur Seite legt. Es gibt nur wenige Stellen in der Wissenschaft, und die sind materiell häufig nicht so attraktiv. Das heißt, man hangelt sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten, weiß nie genau, ob man im nächsten Jahr noch eine Stelle hat und hat meistens während der Zeit der Doktorarbeit auch nicht sehr viel Geld zur Verfügung. Und man kann sich häufig nicht aussuchen, wo man arbeiten möchte. Bis man eine Stelle als Professorin bekommt, ist man meistens schon 40 Jahre alt. Diese Stellen sind dafür dann aber auch meistens unbefristet. Der Weg bis dahin ist also ziemlich hart, aber er lohnt sich. Also, man muss den Beruf schon als den (neben der Familie) zentralen Bereich des Lebens anerkennen, sonst wird man unglücklich und kann die Unsicherheit nicht akzeptieren.

Was empfiehlst du Mädchen, die auch Politologin/Soziologin werden wollen?

Sie sollten es einfach tun und sich nicht verrückt machen lassen durch Arbeitsmarktprognosen, die so tun, als würden alle Politikwissenschaftler oder Soziologen als Taxifahrer enden. Das ist Quatsch. Alle Studien haben bisher gezeigt, dass die Sozialwissenschaftler auf dem Arbeitsmarkt sehr viel besser zurechtkommen als viele andere Akademiker. Sie sind es gewohnt, flexibel sein zu müssen, und sie sind es gewohnt, dass man nicht auf sie wartet, sondern dass sie sich aktiv um einen Job kümmern müssen. Das Arbeitsamt hilft einem da nicht weiter. Wichtig ist die Abschlussarbeit. Egal in welchen Bereich man danach möchte, ob Wissenschaft, Journalismus, in eine Partei oder in Verbände etc. Das Thema der Abschlussarbeit öffnet einem hinterher so manche Tür und sollte deswegen gut überlegt sein. Wer sich vorstellen kann, mal für die Europäische Kommission zu arbeiten, sollte auch eine entsprechende Arbeit schreiben. Und Praktika sind natürlich auch sehr hilfreich, um Kontakte zu knüpfen.

Haben es Frauen in deinem Beruf schwerer als Männer?

Teils, teils. In meinem Arbeitsbereich ("politische Ökonomie") gibt es nur wenige Frauen. Ein Vorteil ist, dass es eine Reihe von Frauenförderprogrammen gibt. Andererseits ist es gerade für Frauen schwierig, flexibel am Arbeitsmarkt zu sein. Auch heute noch ist es so, dass viele männliche Partner Schwierigkeiten damit haben, für den Job der Frau an einen anderen Ort zu ziehen. Und es gibt ja auch objektive Grenzen, wenn er nämlich keinen Job findet an dem Ort, an dem sie ist. Da muss man ganz häufig erst einmal eine Pendelbeziehung akzeptieren. Schwierig ist auch die Familienplanung. In einem Alter, in dem Frauen Kinder bekommen können, haben sie meistens nur befristete Arbeitsverträge und laufen immer Gefahr, nach der Schwangerschaft nicht mehr auf ihre Stelle zurückkehren zu können.

Hat deine Freizeit auch was mit deinem Beruf zu tun?

Meine Arbeit fällt mit meiner Freizeit zusammen. Zeit und Energie für ausschweifende Hobbys fehlt mir häufig. Viele PolitikwissenschaftlerInnen sind nebenbei noch politisch aktiv.

Was wünschst du dir für die Zukunft? Was willst du noch machen?

Ich wünsche mir eine Professur im Jahre 2008. Danach sehen wir mal weiter.

*Danke für das Interview :-)*

Autorin / Autor: Britta, Gesine Boesken - Stand: 19. März 2003