Frauen in MINT – Wie ist der Stand?

Unter den 20 beliebtesten Ausbildungsberufen ist kein einziger, der naturwissenschaftlich, technisch oder IT-geprägt ist. Bei den Frauen. Bei den Männern ist es dagegen umgekehrt. Woran liegt das? Frauen können doch auch MINT?! Wenn ihr euch das auch gefragt habt und mehr über Mädels lesen wollt, die happy & erfolgreich mit ihrem MINT-Job sind, lest weiter.

Frauen in MINT sind immer noch eher die Ausnahme, oder? Das Ganze muss man tatsächlich etwas differenzierter sehen. Es gibt nämlich Berufe, da sind Frauen gar nicht mal so selten. Und da muss man dann nochmal zwischen MINT-Berufen und Berufen der Chemischen Industrie unterscheiden. Im kaufmännischen Bereich (oder besser, im kauffrauischen 😉), der in einem Chemiebetrieb nicht wegzudenken ist, sind die Frauen ganz oft in der Überzahl. Aber ein MINT-Beruf im engen Sinne ist das nicht. Trotzdem ist es ein gut bezahlter Job in einer der größten Branchen Deutschlands und erstmal fernab der „typischen“ Frauenberufe.
Denn das sind immer noch die sozialen und künstlerischen Berufe. Dass diese wichtig sind, steht außer Frage. Weshalb Mädels sich trotzdem mal Richtung MINT umschauen sollten, erklären wir dir im Text.

Die Auswahl an Berufen wird immer größer und doch wählen immer noch viele ihren Job nach Klischees. (Bild: geralt über pixabay, Inhaltslizenz)

Wieso gibt es eigentlich „typische“ Berufe?

Hier wollen wir nicht zu tief in die Materie eintauchen, aber das hat eine lange Tradition. Bereits mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert wurden viele neue Berufe von Männern besetzt. Das lag vor allem daran, dass diese Berufe eine Ausbildung erforderten, die nur den Männern zugänglich war. Frauen durften diese Schulen erst ab dem 20. Jahrhundert besuchen. Besonders Hochschulen waren dann aber nur den höheren Schichten, wie dem Adel und reichem Bürgertum, erlaubt. Frauen aus den unteren Schichten halfen weiterhin in der Landwirtschaft oder in der viel schlechter bezahlten Textilindustrie. Ab der Heirat arbeiteten die meisten Frauen der Mittelschicht dann überhaupt nicht mehr, beziehungsweise verrichteten sie zuhause unbezahlte Care-Arbeit.

Schulen für Frauen beschränkten sich zudem meist auf soziale Berufe, also Pflege, Erziehung und andere Berufe, die sich als Frau „schickten“. Körperliche (Industrie-)Arbeit und rationale Ingenieurberufe galten für bürgerliche Frauen als "unanständig".
Leider halten sich diese damals schon vertretenen Geschlechterklischees, dass Frauen „natürlicherweise“ helfen wollen und Männer stark, rational denkend und naturwissenschaftlich begabter sind, bis heute. (Quelle: Prof. Barbara Schwarze: Geschlechterklischees in der Berufswahl | Klischeefreie Berufs- und Studienwahl (klischee-frei.de). Diese Klischees sind eben nur Klischees. Sie leben weiter, weil es soziale Erwartungen an uns alle gibt, wie wir uns verhalten sollen. Viel klüger ist es, auf die eigenen Fähigkeiten und Begabungen, auf den eigenen Charakter und unsere Stärken zu schauen. Niemand sollte wegen des Geschlechts beschränkt sein in seiner Wahl des Berufs oder Hobbys.

Frauen für Soziales, Männer für die Produktion. Diese Klischees halten sich bis heute. (Bild:14995841 für pixabay, Inhaltslizenz)

MINT-Berufe – wie sieht es heute aus?

Bis heute ist es vielen Männern wichtig, sich im Beruf zu beweisen und sichtbare Leistung zu erbringen, ihren „Mann zu stehen“ gehört da dazu. Daher entscheiden sie sich oft für typische Männerberufe. Soziale Berufe zu wählen, würden viele als Schwäche empfinden. Gleichzeitig wird Mädchen bis heute eingeredet, dass männlich gelesenes Verhalten, wie Durchsetzungsvermögen, körperliche Stärke und Co. dazu führen, dass sie weniger gemocht und geschätzt werden. Womit ihnen gesagt wird, dass es wichtiger sei, gemocht zu werden, als ihre Fähigkeiten einzubringen und ihre Ansichten zu vertreten. Aber warum sollten sie dies nicht tun können – auch in ihrem beruflichen Leben?  Es ist doch für Mädchen und Frauen genau so wichtig, einen gut bezahlten und erfüllenden Beruf zu finden, oder nicht?

Frauen sollten genauso einen gut bezahlten Job wählen dürfen (Bild: BASF SE, Pressefotos)

Geschlechterklischees beeinflussen die Berufswahl

Das Gute: Man kann den Kreislauf durchbrechen. Aber leicht ist es nicht und man muss an den richtigen Stellen anfangen. Eltern, Erzieher:innen und Lehrer:innen müssen dafür zusammenarbeiten. Die gute Nachricht ist, dass viele Unternehmen in der Chemiebranche sich mehr Frauen in den MINT-Berufen wünschen und sich somit öffnen, Klischees abzuschaffen. „Ich würde jungen Mädchen raten, sich nicht von dem veralteten Klischee abhalten zu lassen, dass Naturwissenschaften nur etwas für Männer sind“, sagt auch Biologielaborantin Jessica.

Die Berufswahl wird schon im Kindergarten beeinflusst (Bild: picjumbo_com über pixabay, Inhaltslizenz)

Aber gibt es wirklich so wenige Frauen in MINT?

Da gilt es wieder zu differenzieren. An den Unis strömen immer mehr junge Frauen in die MINT-Studiengänge. Aber eben nicht in alle: Biologie ist der einzige MINT-Studiengang in den Top Ten der beliebtesten Studiengänge bei Frauen. Zum Vergleich: Bei Männern sind es sechs MINT-Fächer. Dabei sind MINT-Fächer die am häufigsten gewählten Studiengänge in Deutschland. Aber nur 30 Prozent der MINT-Studierenden sind Frauen. [Quelle: Servicestelle der Initiative Klischeefrei: „Hochschulen", Stand 09/2020]. Auch bei der Ausbildung entscheiden sich mehr Jungen für eine duale Berufsausbildung, während Mädchen öfter eine schulische Ausbildung wählen, also zum Beispiel Erzieherin. In der dualen Ausbildung entscheiden sich von den sowieso wenigen Mädchen dann die meisten wieder für Berufe, die man als typische Frauenberufe bezeichnet. Im Industriezweig sind nur 35 Prozent der Azubis Mädchen und junge Frauen. Schlechter sieht es nur in Handwerk und Landwirtschaft aus. (Klischeefrei-Faktenblatt: Ausbildung | Klischeefreie Berufs- und Studienwahl / klischee-frei.de)

Im Labor ist der Anteil von Frauen und Männern mittlerweile recht ausgeglichen (Bild: BASF SE, Pressefotos)

MINT in der Schule

Vielleicht habt ihr es in der Schule selbst schonmal wahrgenommen. Deutsch ist das Lieblingsfach der Mädchen, vielleicht noch Englisch und Kunst. In Physik und Info glänzen dann die Jungs. Muss das so sein? Nein, auch hier bilden sich unbewusst wieder Geschlechterklischees. Leider. Um das aufzubrechen, gibt es zum Beispiel den Girls’Day. An dem Tag dürfen Mädchen ganz exklusiv in die vermeintlich typischen Männerberufe reinschnuppern. Das Angebot wird gerne genutzt, auch der ChemieAzubi bloggt immer wieder darüber. Dass so ein Tag aufzeigen kann, dass Mädchen goldrichtig in MINT-Berufen sind, zeigt euch zum Beispiel Leandra, die nach dem Girls’Day Chemielaborantin wurde. Dieser Beruf ist mittlerweile übrigens so ausgeglichen besetzt, dass es kein Girls’Day Beruf mehr sein muss!

Vielleicht kennt ihr auch den Wettbewerb Jugend forscht? Auch hier zeigt sich leider, dass in bestimmten Kategorien fast nur Jungs antreten, oder zumindest am Schluss die Preise abräumen. Dieses Jahr waren unter den Sieger:innen aus Rheinland-Pfalz nur im Bereich Chemie Mädchen – die restlichen Preise gingen an Jungs. Das ist doch super schade, gerade wenn man bedenkt, dass hier tolle Ideen für die Zukunft entwickelt werden. Chemielaborantin Luise hat zum Beispiel einen Waschmaschinenfilter gegen Mikroplastik erfunden.

Beim Girls’Day könnt ihr ausprobieren, ob MINT was für euch ist (Bild: kompetenzz | Björn Gaus für den Girls’Day, CC BY-SA 3.0)

Warum sind Frauen in MINT so richtig?

MINT gewinnt – wenn es um Innovation und Forschung für die Zukunft geht, aber auch bei der Bezahlung. Und die ist doch mittlerweile für Frauen genau so wichtig. Gerade wenn man überlegt, dass es im Falle einer Trennung von Eltern in der Regel die Frauen sind, die dann alleinerziehend sind und somit dringend ein gutes Gehalt brauchen.
Ihr kennt bestimmt den Begriff Gender-Pay-Gap. Der bezeichnet den Umstand, dass Frauen im Schnitt bis zu 20 Prozent pro Stunde weniger verdienen als Männer. Und das liegt auch an der Berufswahl!

MINT-Berufe werden sehr gut bezahlt. Und hier müsst ihr wissen: In der Chemie-, Pharma- und Kunststoff verarbeitenden Branche gilt der Chemie-Tarifvertrag. Alle Facharbeiter:innen werden in der Entgeltgruppe bezahlt, die zu ihrer Tätigkeit gehört. Die Entgelte sind im Tarifvertrag der Chemie festgelegt und gelten für alle, die in einem tarifgebundenen Unternehmen arbeiten.

Wählt einen Beruf, in dem ihr (auch) gut verdient! Sinnhaftigkeit, Arbeiten mit Menschen, Selbstverwirklichung sind wichtig, ja. Aber seine Miete zahlen zu können, und am Ende eine Rente zu haben, auch. Zum Glück kann man mit einem MINT-Beruf beides vereinen, zum Beispiel durch Innovationen, die unsere Umwelt schonen.
Unsere Ausbildungsbetriebe legen großen Wert auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Gleichstellungsbeauftragte passen außerdem auf, dass Frauen die gleichen Entwicklungschancen bekommen.

Den passenden Beruf für sich zu finden, ist nicht einfach. Aber es gibt Tools, die dabei helfen. (Elementare Vielfalt)

Aber können Frauen überhaupt MINT?

Was für eine Frage. Na klar! Das hat doch spätestens Marie Curie bewiesen. Stell dir mal die Frage, ob dir jetzt einfach so noch eine andere Wissenschaftlerin einfällt, und dann nenne mal die Namen aller Männer, die du kennst. Wetten, das Ergebnis wird ziemlich ungleich ausfallen? Eine nicht repräsentative Umfrage in unseren Ausbildungsbetrieben zeigt außerdem: Die Mädchen und jungen Frauen sind oft richtig, richtig gut! Biopharmaunternehmen AbbVie hat zum Beispiel zwei hervorragende Pharmakantinnen: Yaren war 2022 nicht nur Jahrgangsbeste, sie engagiert sich zudem ehrenamtlich in der JAV. Und Rand gehörte im ersten Ausbildungsjahr gleich zu den Klassenbesten, obwohl sie da gerade einmal seit fünf Jahren in Deutschland war. Und schon zwei Mal war „der beste Lacklaborant“ Deutschlands eine Laborantin – zwei Mal stammen sie von unseren Ausbildungsbetrieben: Jansen Lacke und FreiLacke. Die Ausbilder:innen freuen sich, dass sich mehr Mädchen auf die MINT-Ausbildungsberufe bewerben und das Unternehmen so auch bunter, vielfältiger wird. Das würde es anderen Mädchen dann immer leichter machen, sich für die Berufe zu entscheiden.

Bei der Ausbildung haben oft die Mädchen die Nase vorn! (BASF SE, Pressefotos)

Wir brauchen Vorbilder

Dass sich Mädchen oft nicht für einen MINT-Beruf entscheiden, liegt nämlich auch an fehlenden Vorbildern. Und dabei haben wir davon nicht nur ein paar! Daniela ist eine von nur vier Prozent Berufskraftfahrerinnen. Nach der Ausbildung wird sie riesige LKW sicher manövrieren und räumt damit gleich mal mit dem Klischee, Frauen könnten nicht Auto fahren, auf! Auch spannend ist, was Jacqueline von ihrer Arbeit als Elektronikerin erzählt. Sie programmiert Roboterarme und hält die Maschinen eines Automobilzulieferers am Laufen. Oder die Story von Franzika,  die eine Ausbildung zur technischen Produktdesignerin gemacht hat.

Aber es sind trotzdem noch zu wenige. Wir würden uns deshalb wahnsinnig freuen, wenn ihr irgendwann mal beim ChemieAzubi eure Erfolgsgeschichte erzählen würdet!

Mehr Informationen über Berufe, Bewerbung und Betriebe findest du auf dem Chemieblog

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Autorin / Autor: ChemieAzubi - Stand: Mai 2023