Wird Cybermobbing überschätzt?

Studie: Virtuelles Mobbing kommt deutlich seltener vor als „reales“ – und wird auch nicht grundsätzlich als schlimmer empfunden - sagen Schweizer Forscher.

Ist Cybermobbing gar nicht so häufig und drastisch wie vierlorts behauptet wird? Seit einigen Jahren taucht das Thema immer wieder in den Medien auf, insbesondere, seit es mehrere Selbstmorde gemobbter Jugendlicher gab. Die Pubertät ist sowieso eine schwierige Phase voller emotionaler Instabilität, voll Selbstzweifel und Unsicherheit – und da heute fast jeder Teenager viel Zeit im Internet verbringt, wird angenommen, dass virtuelles Mobbing durch die größere Öffentlichkeit und mögliche Anonymität der Täter ein besonders großes Problem darstellt. Zwei Studien von Schweizer Forschern kommen jetzt allerdings zu dem Ergebnis, dass Mobbing im virtuellen Raum immer noch viel seltener ist als im „real life“ und auch nicht per se schlimmere Folgen für die Opfer hat.

*Dreimal mehr Mobbing im normalen Leben*
Rund 950 Schüler aus drei Schweizer Kantonen wurden zu ihren Erfahrungen mit Mobbing befragt. Dabei stellte sich heraus, dass sie etwa dreimal häufiger in ihrem realen Umfeld Mobbing (als Täter oder Opfer) erlebt hatten als im Internet. Das widerspricht natürlich dem oft von Medien verbreiteten Eindruck, das soziale Leben moderner Jugendlicher spiele sich quasi nur noch auf Facebook, Twitter und Co. ab und es käme dort ständig zu Angriffen. "Die Ansicht, dass alle Jugendlichen dank der neuen Möglichkeiten gedankenlos drauflosmobben, ist weit von der Realität entfernt", sagt Sonja Perren von der Pädagogischen Hochschule Thurgau dazu. Die Wissenschaftler sehen Cybermobbing eher nicht als eigenständiges Phänomen, sondern als Ausweitung des „klassischen“ Mobbings. Dazu passt auch, dass vor allem diejenigen Schüler angaben, bereits virtuell zu Tätern geworden zu sein, die auch reale Erfahrungen als Mobbende hatten und generell antisoziales Verhalten zeigten. Wer im echten Leben mobbt, tut es also auch eher per Internet. Faktoren wie z.B. das Geschlecht und die Empathiefähigkeit spielen laut dieser Studie praktisch keine Rolle.   

*Entscheidend ist nicht der „Tatort“*
In einer zweiten Untersuchung sollten die 13- bis 14-jährigen anhand theoretischer Szenarien beurteilen, wann sie Mobbing als mehr oder weniger schlimm empfinden. Dabei wurde real vs. virtuell, öffentlich vs. privat und (auf den/die Täter bezogen) anonym vs. nicht-anonym gegenübergestellt. Dabei zeigte sich, dass die Schüler insbesondere öffentliches und anonymes Mobbing als belastend einschätzten – unabhängig davon, ob es im realen oder virtuellen Raum stattfand. Der Ort ist also nicht entscheidend. Allerdings muss man dabei bedenken, dass Anonymität und eine große Öffentlichkeit eben doch im Internet leichter zu garantieren sind als im echten Leben; das macht ja gerade den Reiz für die Täter aus.

Panikmache ist den Forschern zufolge unangebracht: Cybermobbing ist keine neue Erscheinung, sondern  im Grunde eine Weiterführung altbekannter Muster. Deshalb reicht es aus Sicht der Forscher auch aus, mit Schülern allgemein über Mobbing – und wie man sich wehren kann – zu sprechen. Wichtig ist, dass das Thema überhaupt angeschnitten wird.

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 7. März 2013