Fachkräftemangel aber keine Jobs?
Überall hört man Fachkräftemangel und dass dieser eine Auswirkung auf die schlechte wirtschaftliche Lage hätte. Aber irgendwie gibt es keine Jobs? Hier erfährst du, woran das liegen kann!
Hi, ich bin Alena und für euch in der Chemiebranche unterwegs. Ich bin sozusagen Insiderin, wenn es um die Ausbildung geht. Ich spreche mit Ausbilder:innen, Azubis, dual Studierenden und allen, die sonst mit der Ausbildung zu tun haben. Dabei erfahre ich viel Neues und oft auch Unerwartetes und plaudere hier ein wenig aus dem Nähkästchen!
Immer wieder sehe ich TikToks oder bekomme es in Gesprächen mit, dass sich vor allem junge Leute beschweren, dass sie trotz angeblichem Fachkräftemangel keinen Arbeitsplatz oder sogar Ausbildungsplatz bekommen. Vielleicht ging dir das auch schonmal so?
Auf der anderen Seite hört man ständig von der schwächelnden Wirtschaft und von Insolvenzen, Verkäufen, Kündigungen und Kürzungen der Arbeitsplätze.
Wie passt das zusammen? Was sind Fachkräfte überhaupt und werden Fachkräfte in jeder Branche gesucht? Und wie passt es zusammen, dass Fachkräfte gesucht werden, obwohl auf der anderen Seite die Wirtschaft so schwach ist? Dem gehen wir hier mal auf den Grund.
Was sind Fachkräfte?
Als erstes müssen wir dafür mal die Frage klären, wer überhaupt eine Fachkraft ist. Laut Wörterbuch ist eine Fachkraft eine Person mit Kenntnissen und Fähigkeiten in ihrem Fachgebiet. Es gibt allerdings feinere Untergliederungen, z.B. vom Institut der Wirtschaft genutzt, die eine Fachkraft genauer definieren. Hier ist eine Fachkraft eine Person mit einer mindestens zweijährigen Berufsausbildung und dem Anforderungsniveau zwei. Zum Vergleich: eine Person mit Bachelor, Meister, Techniker usw. ist ein:e Spezialist:in.
Mit Niveau 3 und mit einem Master gehört man zu den Expert:innen mit Niveau 4. So gesehen sind also Personen mit Studium nicht einmal Fachkräfte. Natürlich werden sie trotzdem gesucht und werden, wenn man von Fachkräftemangel spricht, oft auch mitgemeint.
Welche Berufe werden gesucht?
Wenn man diesen Begriff also ganz ernst nimmt, würde das schon einmal Vieles erklären, da somit weniger Personen mit Uni-Abschluss als mit Ausbildung gesucht werden. Mittlerweile sehe ich online immer öfter verzweifelte Berichte von Studierenden, die nach der Uni einfach keine Arbeit finden. Oft liegt das aber nicht daran, dass es den Fachkräftemangel doch nicht gibt, sondern, dass nicht in jedem Beruf und jedem Tätigkeitsfeld ein Fachkräftemangel da ist.
Hier findest du drei seltene und gesuchte Berufe: Die Chemie hat viele Gesichter - 3 Berufe, die du garantiert noch nicht kennst!.
Zuletzt fehlten vor allem Fachkräfte im sozialen Bereich, also Kinderbetreuung, Pädagogik, Altenpflege usw. sowie im MINT-Bereich (Elektrotechnik, Betriebstechnik, Fahrzeugtechnik). Im neuen MINT-Report 2025 wird von 114.000 offenen Stellen im Bereich gesprochen, mit einer Fachkräftelücke von sogar knapp 150.000 Personen. Als größter Engpass werden Energie- und Elektroberufe angegeben.
Hier wird aber auch klar: nicht jeder Beruf wird händeringend gesucht. Auch im MINT-Report wird deutlich, dass vor allem Berufe, die eine Ausbildung erfordern, den größten Fachkräftebedarf haben, während Berufe, die keine Ausbildung erfordern oder ein Studium, viel weniger nachgefragt werden. Im MINT-Report wird zum Beispiel auf 2 Fachkräfte maximal ein:e Spezialist:in oder Expert:in gesucht. Schaut man sich das Verhältnis zwischen Studierenden und Auszubildenden an, wird dann auch das Problem klar: Laut Statista kommt grob gesagt ein:e Auszubildende:r auf drei Studierende.
Wieso finde ich trotzdem keinen Ausbildungsplatz?
Eigentlich sollte ein Ausbildungsplatz also kein Problem sein, oder? Immerhin blieben 2024 nach Auswertung der BIBB rund 70.000 Ausbildungsplätze unbesetzt. Immer wieder bekomme ich Nachrichten oder werde auf Messen angesprochen, weil sich die Ausbildungsplatzsuche dann doch nicht so einfach gestaltet. Und auch verschiedene Befragungen rund um freie Ausbildungsplatzstellen zeigen, dass es oftmals Bewerber:innen gibt und die Stelle dennoch nicht besetzt wird. Das liegt leider am Passungsproblem. In der Chemiebranche gibt es eine Handvoll sehr beliebte Ausbildungsplätze. Das sind zum Beispiel kaufmännische Berufe und Laborberufe. Besonders Chemielaborant:in ist immer sehr gefragt. Hier gibt es aber, anders als bei vielen anderen Chemieberufen, dann eben keinen Fachkräftemangel. Leider werden jährlich nicht so viele Laborant:innen gebraucht, wie sich bewerben. Unter anderem dadurch sind die Anforderungen auch gestiegen. Viele Betriebe bevorzugen für diese Ausbildungsplätze Abiturient:innen.
Nicht jeder Ausbildungsplatz ist also dringend unterbesetzt und nicht jede Bewerbung passt für jeden Beruf. Haben die Betriebe das Gefühl, dass du dir bei deiner Bewerbung keine Mühe gegeben hast oder deine Fähigkeiten einfach nicht matchen, lassen sie die Stelle oftmals lieber unbesetzt.
Außerdem kann es sein, dass dein Wohnort einfach nicht zu deinen Wünschen passt. Viele Branchen konzentrieren sich auf bestimmte Standorte. Wenn du zum Beispiel gerne in einem großen Hotel arbeiten willst, musst du eher in Großstädten oder Gegenden mit viel Tourismus schauen, wenn du gerne in die Automobilbranche möchtest, solltest du zum Beispiel in der Nähe von Stuttgart oder Wolfsburg wohnen. Der Fachkräftemangel kann sich also auf Regionen beziehen.
Hier findest du Ausbildungsplätze in deiner Region: Ausbildung: Freie Stellen der Chemie - Jetzt bewerben!
Was kann ich also tun, um den Fachkräftemangel zu nutzen?
Wenn du den Fachkräftemangel für dich nutzen möchtest, dann sind folgende Tipps vielleicht hilfreich für dich:
1. Ausbildung statt Studium
Natürlich gilt das nicht für jeden Beruf, aber mit einer Ausbildung hast du oft super Zukunftschancen. Du bist von Anfang an im Betrieb und lernst dort direkt, wie das Arbeitsleben läuft. Du hast Connections und findest bestenfalls nach der Ausbildung problemlos eine Anschlussstelle. Du bekommst Geld. Und vor allem: Du kannst dich nachher noch genau so fortbilden, einen Meister, Techniker oder Betriebswirt machen oder studieren. Damit hast du im Gegensatz zu Studierten nahezu keine finanziellen Nachteile. Laut Statista lohnt sich in den meisten Fällen erst ein Master, um finanziell besser als eine Fachkraft in der Industrie dazustehen. Das liegt unter anderem an Tariflöhnen und Schichtarbeit. (Tarifvertrag Chemie 2024-2025 » IGBCE Entgelttabelle 2024 & Co.)
2. Berufswahl an Fachkräftemangel anpassen
Das ist vielleicht eine etwas steile These. Aber wenn du noch nicht genau weißt, was du werden willst, dann schnupper doch mal in solche Engpassberufe rein. Vielleicht kannst du dich mit einem davon anfreunden. Und selbst, wenn es auf Dauer nichts ist, du kannst dich später spezialisieren, weiterbilden oder die Ausbildung einfach mitnehmen und danach was anderes machen. Bis zur Rente bleibt dir noch genug Zeit!
3. Flexibel und mobil sein
Wie schon gesagt gibt es nicht jeden Beruf überall im Überfluss. Wenn es also für dich in Frage kommt, hast du immer bessere Chancen, wenn du mobil bist. Vor allem, solange du noch keine Familie hast, solltest du dir überlegen, ob du bereit dafür wärst, für einen Job umzuziehen. Auch nach Ausbildung oder Studium ist es hilfreich, wenn du bereit bist, in einem größeren Umkreis zu suchen.
4. Gute und aussagekräftige Bewerbung
Um die Stelle oder den Ausbildungsplatz dann auch wirklich zu bekommen, solltest du auf jeden Fall auf gute Bewerbungsunterlagen und einen guten Eindruck Wert legen und darin auch investieren. Lass deine Bewerbung mindestens von einer KI gegenchecken, besser von Eltern, Freund:innen oder Lehrer:innen, prüfe die Rechtschreibung und gib dir auch mit Anschreiben und Co. Mühe. Achte im Vorstellungsgespräch darauf, ordentlich gekleidet zu sein und auch auf höfliche Umgangsformen und überlege dir vorher, was du auf mögliche Fragen antworten willst und ob du Fragen an das Unternehmen hast?
Eine gute Bewerbung bringt dich deinem Traumberuf näher Bild:
Pixabay; loufreÜberall hört man von Kündigungen, wie kann da Fachkräftemangel herrschen?
Das ist eine berechtigte und komplexe Frage. Ich versuche sie so einfach wie möglich zu beantworten. Dass Fachkräfte gesucht werden, hat mehrere Faktoren. Zum einen entwickelt sich Industrie und Co. immer weiter. Wo heute viele ungelernte sogenannte Hilfskräfte arbeiten, wird es in Zukunft vermutlich vermehrt dazu kommen, dass KI und Maschinen diese Arbeiten übernehmen können. Fachkräfte hingegen können nicht ganz so leicht ersetzt werden. Daher werden sie gesucht.
Außerdem schafft diese Entwicklung auch viele neue Arbeitsplätze, die aber eben auch einiges an Fachwissen erfordern.
Momentan befindet sich die deutsche Wirtschaft in keinem guten Zustand, doch schaut man auf die vergangenen Jahrzehnte, zeigt sich, dass sich das auch schnell wieder ändern kann. Durch so eine „Umstrukturierung“ bilden sich auch immer neue Firmen und neue Fachbereiche, die dann wiederum neue Arbeitskräfte suchen. So werden weiterhin Fachkräfte nachgefragt. Dadurch kann es kommen, dass im gleichen Unternehmen in einem Fachbereich Kündigungen ausgesprochen werden, in einem anderen aber neue Fachkräfte gesucht werden. Daher kann es eben von Vorteil sein, einen in der Prognose zukünftig gesuchten Ausbildungsberuf zu ergreifen.
Außerdem ist ein großer Faktor der demografische Wandel. In einigen Jahren werden auf einen Schlag viele Fachkräfte vom Arbeitsmarkt verschwinden, weil sie in Rente gehen. Trotz Zuwanderung kann diese Lücke momentan nicht geschlossen werden. Dann werden viele Fachkräfte gesucht, doch viele Firmen suchen auch schon jetzt, damit Wissen nicht verschwindet, wenn neue Mitarbeitende erst zu spät dazugeholt werden.
Es ist also nicht ganz einfach, diese Entwicklung zu beschreiben, denn es gibt natürlich noch viele andere Faktoren, die auch von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sind. Doch die Zahlen sprechen für sich, wenn du dich jetzt richtig entscheidest, hast du gute Zukunftschancen. Und vielleicht ist ja sogar zufälligerweise dein Traumberuf dabei?!
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Autorin / Autor: Chemie Azubi - Stand: Dezember 2025