Two Boys Kissing – Jede Sekunde zählt

Autor: David Levithan
übersetzt von Martina Tichy
ab 14 Jahren

Buchcover

Riesengroß springen einem die weißen Lettern „Two Boys Kissing“ vom Cover entgegen. Auf dem schwarzen Grund lassen sich gräulich-schwarze Figuren im Ampelmännchenstil erkennen, Junge und Mädchen, die Händchen halten. Über die ganze Seite, dutzende von ihnen. Und immer, in Farbe hervorgehoben, Junge-Junge Paare.
Was hat es nur auf sich, mit diesem neuen Jugendroman von David Levithan? Zunächst einmal, anders, als man auf den ersten Blick erwartet, geht es nicht um zwei Jungen, die sich küssen. Nicht nur. Es geht um Harry und Craig, die ein Statement setzen wollen, um Ryan und Avery, um Cooper, um Tariq, Neil und Peter. Nicht alle dieser Jungen kennen sich, aber sie sind alle Teil dieser faszinierenden und unglaublich schön geschriebenen Geschichte, und sie haben eins alle gemeinsam: Sie sind schwul.

Ich muss zugeben, mich hat dieser Roman doch sehr zu lesen gereizt, eben weil es um das Thema Homosexualität geht. Während man bei Mädchen sich nicht allzu wundert, wenn da sich mal zwei küssen (das macht man ja auch mal so unter Freundinnen), kriegen Jungs dann doch eher befremdliche Blicke, stoßen auf Missverständnis und Abscheu. Levithan schreibt über Jungen, die ein Zeichen für Schwule setzten wollen und setzt dabei selber eins. Der Autor beweist mit diesem Roman Mut, Mut zum Wort und Mut, ein präsentes und doch totgeschwiegenes Thema ins Rampenlicht zu stellen, ohne es bloßzustellen.

Dabei wurde eine besondere Art des Erzählens gewählt, denn ein höheres „Wir“ erzählt diese Geschichte. Hinter dem Wir stecken vielleicht verstorbene, andere Schwule, Geister einer anderen Zeit, die durch die vielen Einzelgeschichten über die einzelnen Jungen leiten und sie zu einem Roman zusammenbinden. Immer wieder stößt man auf wunderschöne Formulierungen, Bilder und Weisheiten, die eine funkelnde Lebendigkeit in die Worte bringen.

Man lässt sich mitreißen von diesem literarischen Sog und fühlt mit den Jungen mit. Man freut sich gemeinsam mit Ryan und Avery über die erste Annährung, leidet mit Cooper, als seine Eltern herausfinden, dass der gute Sohnemann schwul ist. Zugleich lässt einen aber auch nicht der kleine Vorwurf los, der immer wieder zwischen den Zeilen aufblitzt und einen dazu auffordert, mehr Toleranz zu zeigen, mehr Verständnis gegenüber den Schwulen.

Mich hat das Buch fasziniert und begeistert, gleichzeitig aber auch nachdenklich gestimmt und mit einem merkwürdigen Gefühl zurückgelassen. Leichte Lektüre ist das bei weitem nicht, aber dafür eine unglaubliche Bereicherung für die Literatur. Ich kann es nur empfehlen, sowohl Mädchen als auch Jungen, denn dieser Roman hat die Kraft etwas zu verändern, etwas in uns und wir haben die Kraft etwas in der Gesellschaft zu verändern, für die Gleichheit und Toleranz, die wir alle brauchen.

*Erschienen bei KJB*

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Autorin / Autor: cheshirekitty - Stand: 14. Oktober 2015