Wie wird man Astronautin?

Die Stiftung "Erste deutsche Astronautin gGmbH" will 2021 die erste deutsche Frau auf die internationale Raumstation ISS bringen. LizzyNet hat mit einer der beiden zukünftigen Frauen im All, Dr. Suzanna Randall, gesprochen

Bild: (c) die astronautin

In einem Roman von Juli Zeh steht ein interessanter Satz: „Astronaut_innen sind die nettesten Menschen auf der Welt.“

Ach wie schön.

Das trifft bestimmt auch auf Sie zu 😊  Warum sollten Astronaut_innen nett sein?

Ich habe tatsächlich eine ähnliche Erfahrung gemacht mit den Astronaut_innen, die ich bisher kennengelernt habe, und ich glaube der Grund ist, weil sie genau danach ausgesucht werden, dass sie gut im Team arbeiten können, dass sie auch in Stress- oder Extremsituationen cool bleiben und trotzdem nett miteinander kommunizieren.

Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, Astronautin werden zu wollen?

Gegenfrage: „Wie kann man nicht auf die Idee kommen?“ (lacht
Also es war bei mir wirklich ein Kindheitstraum. Von Anfang an, fast seitdem ich denken kann, war das etwas, was mich gereizt hat. Mich hat als Kind alles gereizt, was irgendwie mit Abenteuer zu tun hatte. Ich wollte auch mal Piratin werden, weil ich da auf den Weltmeeren segeln konnte. Und Astronautin war dann natürlich das Nonplusultra der Abenteuer, das war ganz klar. Da geht es nicht nur über die Weltmeere oder in die Wüsten, sondern eben in den Weltraum, und das war für mich das Tollste von dem, was man im Leben so erreichen könnte. Dieser Kindheitstraum hat sich dann durch die ganze Jugend gezogen bis jetzt ins Erwachsenenalter.

Was fasziniert Menschen eigentlich so am All?

Für mich ist die Faszination All eigentlich losgelöst von dem Wunsch, selber dort hinzufliegen, denn ich bin ja auch Astrophysikerin. Die  Faszination besteht glaube ich darin, dass das All so etwas Unvorstellbares ist: Es geht hier um Milliarden von Kilometern, die Planeten oder Galaxien entfernt sind, Milliarden von Jahren, riesige Sterne – unvorstellbar in den Dimensionen und Größenordnungen, die wir uns vorstellen. Ich habe als Kind immer versucht, das zu begreifen und dann habe ich irgendwann verstanden „Nein, das geht in unser menschliches Gehirn gar nicht rein.“ Und das finde ich nach wie vor am Weltraum und an der Astrophysik auch so faszinierend. Auch die Leute, die sich meine Vorträge anhören sagen oft: „Hey, das ist einfach alles irre!“ Das kann man sich gar nicht vorstellen. Das hat so gar nichts mit unserem Alltag zu tun. Das ist die Faszination.

Ist Astronaut_in überhaupt eine anerkannte Berufsbezeichnung? Wie wird man das?

Es gibt eine Ausbildung, aber nur sehr wenig Ausbildungsplätze, auf die sich sehr viele Leute bewerben. Um die zu ergattern braucht man gewisse Voraussetzungen. Man muss entweder Pilot_in mit sehr viel Flugerfahrung sein oder Wissenschaftler_in. Man braucht auf jeden Fall ein abgeschlossenes Studium in einem naturwissenschaftlich-technischen Beruf und Berufserfahrung. Man kann also nicht nach dem Abitur sagen, „okay, ich werde Astronautin“.

Wie lange dauert so eine Ausbildung als Trainee?

Das kommt darauf an -  bei mir ist es so, dass ich die Ausbildung in Teilzeit absolviere, das heißt ich arbeite noch in meinem normalen Job. Ich bin jetzt seit gut drei Jahren dabei und habe jetzt das sogenannte Basistraining mit den Grundfertigkeiten absolviert, es fehlt aber noch das missionsspezifische Training, in dem es um die Experimente auf der Raumstation geht oder darum, wie man sich in einer Notsituation in der Raumkapsel verhält. Dafür muss ich dann auch in die USA fliegen, und das wird nochmal zwischen sechs Monaten und einem Jahr dauern.

Bild: (c) die astronautin

Was sind die Inhalte in so einer Ausbildung?


Bild: (c) B.Schulze

Neben dem physischen Training, das alle natürlich am spannendsten finden, gibt es wahnsinnig viel Theorie, das muss man ganz klar sagen, weil es oft vergessen wird. Zum Beispiel das Fach Orbitalmechanik oder es geht um solche Fragen, wo auf der Raumstation wird was wie gelagert. Da gibt es dann eine Fülle von Codierungen.
Beim physischen Training wird zum Beispiel ein Flugschein gemacht. Bei einem sogenannten Parabelflug kann man die Schwerelosigkeit erleben und lernen damit umzugehen. Dann haben wir einen Tauch-Schein gemacht mit unterschiedlichen Tauchsimulationen; wir waren in der Zentrifuge, um zu fühlen wie sich ein Raketenstart anfühlt…

Und wie fühlt es sich an?

Joah, also das dauert ca. 10 Minuten und geht schneller als man denkt. Nach 10 Minuten ist man schon der Schwerelosigkeit, aber die 10 Minuten sind jetzt nicht so angenehm – es ist eine sehr starke Beschleunigung und das Gefühl ist so, als wenn einem ein Elefant auf dem Hals sitzen würde. Okay, man kann es aushalten, weil der Körper lernt, sich daran zu gewöhnen.
Vor Kurzem haben wir dann fünf Tage in einer Höhle unter der Erde verbracht. Das war eher ein mentales Training für die ISS. Da ging es darum, zu lernen, dass wir isoliert sind, dass wir ohne Tag-Nacht-Rhythmus leben und dass wir auch unter schwierigen körperlichen Bedingungen wie Kälte und Dunkelheit wissenschaftlich arbeiten können. Wir haben auch Experimente gemacht wie im Alltag auf der Raumstation, nur ohne die Schwerelosigkeit und ohne im Weltall zu sein.

Weltweit gibt es ja bislang nur 10 Prozent weibliche Astronaut_innen, und Deutschland hat ja bisher noch keine einzige Frau ins All geschickt. Woran liegt das?

Das frage ich mich auch (lacht). In den Anfängen der Raumfahrt, also den 1960er und 70er Jahren wurden Frauen aktiv ausgeschlossen. Um in die Raumfahrt zu kommen, musste man Militärpilot sein, und da waren einfach keine Frauen zugelassen. Eine Ausnahme bildet Valentina Tereschkowa aus Russland, die 1963 die erste Frau im All war. Das änderte sich dann mit der Shuttle-Ära in den USA in den achtziger Jahren. Die erste Amerikanerin im All war Sally Ride, die übrigens mein persönliches Vorbild schon als Kind war. Die NASA in den USA fing an, darauf zu achten, dass sie auch Frauen auswählten, und inzwischen ist die NASA so weit, dass es genauso viel Frauen wie Männer im Astronautencorps gibt. Außerdem achtet die NASA nicht nur auf den Frauenanteil, sondern auch zum Beispiel auf die Beteiligung ethnischer Minderheiten. Aber es ist natürlich eine lange Aufholjagd.
In Europa ist die Situation noch enttäuschender, weil wir hier erst drei Frauen im Weltraum hatten, eine Britin, eine Französin und jetzt eben mit der ESA eine Italienerin. Leider ist Deutschland da wirklich das Schlusslicht. Je mehr ich darüber rede, desto mehr regt es mich auf. Deutschland hatte 11 Männer im Weltraum - was viel ist, Deutschland ist hinter den USA und Russland inzwischen eine der großen Raumfahrtnationen - aber wir haben es bisher tatsächlich noch nicht geschafft, eine Frau in den Weltraum zu schicken und der zwölfte deutsche Mann wird jetzt im Herbst fliegen. Was mich nicht gerade glücklich macht, weil es doch auch um die Signalwirkung geht. Gerade Kinder, für die Astronaut_innen so große Vorbilder sind, sollten sehen, dass Astronaut_innen nicht nur aus männlichen Helden bestehen.

Ihre Initiative „Die Astronautin“ will das ändern. Wie stellen Sie das an? Kann man da auf politischer Ebene etwas machen?

Die Initiative gibt es bereits seit 2016 und ich bin seit 2018 als Astronautin in Ausbildung dabei. In der Zeit wurde wahnsinnig viel Arbeit geleistet, in den Medien, Gespräche mit Firmen, im Sponsoring und auch politisch. Wir haben vor kurzem mit der Politik eigentlich sehr gute vielversprechende Gespräche geführt, aber dann kam leider Corona. Und wie für viele andere, die nicht fest angestellt und mit gesichertem Geld unterwegs sind, bedeutete das erstmal eine Auszeit. In der Corona-Zeit ist da was die Finanzierung angeht wirklich nichts vorwärts gegangen. Jetzt fangen die Gespräche langsam wieder an, und wir hoffen, dass es jetzt in der Politik und in der Wirtschaft wieder voran geht.

Heißt das also, wenn man Astronaut_in werden will, braucht man Geld? Und es muss jemand diese Ausbildung finanzieren?

Genau. Einen Großteil der Ausbildung haben wir bisher privat finanziert, über Auftritte, Spenden, Preisgelder usw. Aber das teuerste ist nicht die Ausbildung, sondern der Flug, und der kostet ca. 50 Millionen Euro. Das ist natürlich ein Betrag, von dem man nicht mal eben sagt "Ach ja, geb ich euch mal schnell", sondern das ist ein Bereich, wo man natürlich sehr genau planen und argumentieren muss. Die Astronaut_innen, die über die ESA ausgesucht werden, werden über die Beiträge der Mitgliedsstaaten finanziert. Jedes Land, das bei der ESA Mitglied ist - Deutschland ist natürlich eines der größeren Länder dabei -, zahlt seinen Mitgliedsbeitrag und daraus werden dann die Flüge der Astronaut_innen finanziert. Aber da wir eben privat finanziert sind, sind wir in diesem Topf nicht drin.

Was machen Sie, wenn Sie das erste Mal im All sind? Welcher Frage werden Sie sich dort vorrangig widmen?

Am meisten freue ich mich darauf, unseren Planeten von oben zu betrachten und die Kontinente unter mir vorbeiziehen zu sehen. Das wäre für mich persönlich das Highlight. Und natürlich die Freude darüber, dass wir die erste deutsche Frau im Weltraum haben werden! Es wird natürlich interessant sein, den weiblichen Körper in der Schwerelosigkeit zu untersuchen. Wir werden dann physiologische Experimente an unserem eigenen Körper durchführen, zum Beispiel an den Augen. Es ist nämlich so, dass die Sehkraft sich in der Schwerelosigkeit bei ungefähr 30 Prozent der Männer verringert. Bei Frauen ist das wohl nicht so, aber man weiß nicht warum, und das möchten wir dann näher untersuchen.
Viele denken ja immer noch, dass Männer physisch einen klaren Vorteil im All hätten, weil sie zum Beispiel mehr Muskelkraft haben. Aber die braucht man in der Schwerelosigkeit ja gar nicht. Ich denke, Frauen sind von den körperlichen Voraussetzungen her sogar besser geeignet in den Weltraum zu fliegen, sie sind leichter, verbrauchen weniger Sauerstoff und andere Ressourcen. Das wäre doch viel günstiger.

Was raten Sie Mädchen, die den Traum haben, Astronautin werden zu wollen, so wie Sie?

Ich bin jetzt mal ganz ehrlich und sage, was viele vielleicht nicht hören wollen. In den Weltraum zu reisen ist ein Traum. Es gibt in dem Bereich nur sehr wenig Plätze und dessen sollte man sich bewusst sein. Das heißt aber nicht, dass man es nicht versuchen sollte! Ich habe es auch mehrmals versucht und habe es irgendwann bis zur Ausbildung geschafft, aber man sollte nicht seinen Karriereweg oder sein ganzes Leben darauf ausrichten.
Am Anfang sollte aber eine naturwissenschaftlich-technische Ausbildung stehen. Man muss nicht unbedingt Astrophysikerin sein, überhaupt nicht, meine Kollegin ist zum Beispiel Meteorologin und Alexander Gerst ist Geophysiker. Man muss nicht zwingend etwas mit Astronomie machen. Deshalb sage ich: Macht das, was euch interessiert, das ist das allerwichtigste, denn wenn ihr Begeisterung und Spaß daran habt, was ihr macht, werdet ihr auch gut und motiviert sein. Und wenn man dann auch noch das nötige Quäntchen Glück hat, sind das die besten Voraussetzungen.

Bild: (c) Marek Beier

Vielen Dank für das Interview!

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Autorin / Autor: Redaktion; Bilder: Bild: (c) die astronautin; Marek Beier; B.Schulze - Stand: 16. Juni 2021