Whisper Network

Autorin: Chandler Baker
Aus dem Amerikanischen von Astrid Finke

Seit Jahrzehnten kämpfen weltweit Frauen für das Recht auf Gleichberechtigung und gegen sexuelle Gewalt. Besonders in den letzten Jahren errang dieser Kampf endlich die nötige Aufmerksamkeit der Gesellschaft. Fälle wie die kürzliche Verurteilung des Filmproduzenten Harvey Weinstein lassen auf einen Schritt hin zur längst überfälligen Gerechtigkeit hoffen. Unter dem #MeToo, sammeln sich die Aufschreie der Menschen gegen sexuelle Übergriffigkeit. Der Diskurs der #MeToo Debatte erlangte schon bald eine gewaltige Medienaufmerksamkeit und konnte sich als gängiger Begriff innerhalb der Diskussion etablieren.

Dass der Kampf damit aber noch längst nicht gewonnen ist, beschreibt auch Chandler Baker in ihrem Thriller Whisper Network. Die drei Freundinnen Ardie, Sloane und Grace sind erfolgreiche Juristinnen einer Top-Firma. Sie sind selbstbewusst, führen ein Leben mit einem gewissen Standard und wissen was sie wollen, meistens jedenfalls.
Trotzdem hängt über ihrer aller Leben eine dunkle Wolke in Gestalt ihres Chefs Ames Garrett. Regelmäßig sehen sich die drei seiner Übergriffigkeit ausgesetzt und fühlen sich machtlos. Jetzt soll er auch noch in den Vorstand aufsteigen. Ein Albtraum für alle Frauen der Firma!
Sloane, Ardie und Grace sehen sich gezwungen zu handeln. Ein spannender Lauf gegen die Zeit beginnt, und keine von ihnen weiß, wann Ames vielleicht zu aufdringlich wird. Doch plötzlich ist er tot. Haben etwa die Anschuldigungen der drei etwas mit seinem Tod zu tun? Oder ist letztendlich einer der unzähligen, betroffenen Frauen der Kragen geplatzt?

Auch ohne, dass man sich mit juristischen Begrifflichkeiten auskennen muss, taucht man augenblicklich in die Welt der drei starken Charaktere ein.
Chandler Baker wechselt dabei stets zwischen dem Geschehen in der Firma und den unterschiedlichen Privatleben der drei Protagonistinnen. Denn nicht nur in der Firma spielt sexuelle Belästigung eine Rolle. Auch Sloanes Tochter sieht sich mit Übergriffen in der Schule konfrontiert. Nebenbei schreibt Baker über die unzähligen Ungerechtigkeiten des Alltags, die Klischees und Rollenbilder, denen sich immer noch unzählige Frauen verpflichtet fühlen. Eingebettet in einen aufregenden Thriller, mit überraschenden Wendungen und ironischen Untertönen, lockert die Autorin auch einige Situationen auf, in denen sich sicherlich die ein oder andere Leserin wiederfinden wird. Auch das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, die Unterstellung zu übertreiben oder sogar haltlos etwas Erfundenes zu behaupten, sind Aspekte, die nicht nur Baker aufgreift, sondern leider immer noch Tatsachen und Situationen entsprechen, denen sich betroffene Frauen gegenübergestellt sehen. Vorausgesetzt sie bringen überhaupt den Mut auf, mit ihren Erlebnissen in die Öffentlichkeit zu gehen.

Der fesselnde Thriller liest sich demnach nicht nur zur Unterhaltung, sondern regt zum Nachdenken an und führt vielleicht auch dazu, eigene Erlebnisse zu reflektieren und Alltagssexismus, sei es am Arbeitsplatz oder im Privatleben, als solchen zu entlarven. Keinesfalls richtet sich das Buch dabei nur an ein weibliches Publikum, sondern ermöglicht männlichen Lesern einen Einblick, der sie vielleicht sogar ein wenig wachrüttelt!

*Erschienen bei Heyne*

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Autorin / Autor: Ann-Kathrin - Stand: 24. April 2020