Wer sich umdreht oder lacht...

Autorin: Mel Wallis de Vries
Übersetzt von Verena Kiefer

Ein Mörder geht um in Amsterdam. Einer, der es auf junge Mädchen abgesehen hat. Er hält ihr Sterben mit ihren eigenen Handys fest und verbreitet diese Filmchen in den Sozialen Medien. Und jeder fragt sich: Wer ist die Nächste?
„Wer sich umdreht oder lacht…“ von Mel Wallis de Vries erschien im Original 2018 und in Deutschland 2019. Es ist ein solider Jugendthriller, der sich gut liest, bei dem man als Leser aber zeitweilig das Gefühl hat, dass er nicht genau weiß, wo er hinwill.
Protagonistin Mandy steckt in einer sehr negativen Lebensphase. Ihre Mutter ist schwer krank und liegt im Sterben, zu ihrer Schwester scheint sie den Draht völlig verloren zu haben und sogar ihre Freundinnen verhalten sich seltsam. Als dann auch noch ein Mörder in der Stadt zu wüten beginnt, der ausschließlich Mädchen in Mandys Alter tötet, glaubt sich Mandy in einem Albtraum gefangen. Dass der Killer es auch auf sie abgesehen hat, ahnt sie natürlich noch nicht…
Die Grundidee von „Wer sich umdreht oder lacht“ ist eigentlich eine äußerst spannende und vor allem eine brandaktuelle – in den sozialen Medien wird heutzutage schließlich alles gepostet, oft sogar Dinge, die definitiv nicht an die Öffentlichkeit gehören.
Auch hat man schon vereinzelt von Morden gehört, die vor laufender Kamera und für alle Welt sichtbar geschehen sind. Natürlich geht es in diesem Buch oft um die Videos, die von den Opfern gemacht worden sind, aber nebenher passieren auch noch viele andere Dinge, die eine genaue Themenbeschreibung gar nicht so einfach machen.
Während der Lektüre beschlich mich immer wieder das Gefühl, dass die Autorin in zu viele verschiedene Richtungen gleichzeitig wollte. Da ist natürlich die Grundidee mit den Morden und den Videos, was der Geschichte auch durchaus Spannung verleiht. Nebenher gibt es da aber noch Mandys kompliziertes Leben und Ansätze von Konflikten anderer Charaktere, die jedoch nicht recht vertieft werden. Die Charaktere sind sehr interessant und facettenreich gezeichnet, was mir wirklich gut gefallen hat, doch ab und an überschatten diese Charaktere beinahe die Haupthandlung. Man denkt – „Warum verhält sie sich so?“ oder „Ich würde so gern wissen, was da los ist!“ Aber (zufriedenstellend) aufgeklärt wird es nicht. Der Showdown ist schlicht und einfach nicht vorhanden (oder es fühlt sich so an) – als Mandy endlich ins Visier des Killers gerät, ist alles viel zu schnell wieder vorbei.
Etwas enttäuscht war ich dementsprechend auch von der Entlarvung des Mörders. Es war niemand, mit dem man gerechnet hat, was natürlich positiv zu verzeichnen ist – aber man dachte nicht: „Oh, Wahnsinn, was für eine Wendung!“, eher „Oh, ach so? Na gut.“ Selbst im Nachhinein werde ich das Gefühl nicht los, dass das Buch ruhig etwas länger hätte sein, die Nebenhandlungen eventuell hätten vertieft werden können (oder müssen?). So gibt es viele interessante Aspekte – aber eben nur im Ansatz, nicht in der Tiefe.
Allerdings: Sprachlich gesehen gibt es gar nichts zu meckern. Die Autorin hat einen äußerst angenehmen Schreibstil. 
Sicherlich muss man auch berücksichtigen, dass es sich ja um ein Jugendbuch handelt und nicht um eines für Erwachsene. Aus dieser Perspektive ist das „Zumutbare“ durchaus richtig ausgelotet.
Ich würde das Buch schon weiterempfehlen, denn wie bereits erwähnt, der Ansatz und die generelle Thematik sind nicht verkehrt oder gar schlecht, es liest sich gut und hat etliche interessante Elemente. Zudem könnte es sicher viele der jüngeren Leser der heutigen Zeit erreichen. Etwas mehr Tiefe hätte es in meinen Augen jedoch zu einem richtig guten Buch machen können, statt nur zu einem guten.








*Erschienen bei one*

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    Autorin / Autor: Sarah Hollstein - Stand: 14. Mai 2019