Vielleicht passiert ein Wunder

Autorin: Sara Barnard

Wenn zwei schwerwiegende Kommunikationsprobleme zu kunterbunten Konfettiwundern werden ..."immer noch so sanft wie Konfetti"...

Steffi hat selektiven Mutismus, das bedeutet für sie, dass sie kaum in der Lage ist, mit anderen zu sprechen und jede Kommunikation eine der größten Herausforderungen ist - insbesondere da die Krankheit kaum verstanden wird, weder in der Schule, die Steffi besucht, noch von ihrer Umgebung.

Dann gibt es aber Tem, mit der sie eine tiefe Freundschaft verbindet, und Rhys kommt an ihre Schule, für den es ziemlich egal ist, ob Steffi spricht oder nicht, da er sowieso nichts hören kann. Das ist der erste Moment, in dem sich Steffi völlig angenommen fühlt wie sie ist. Daraus entwickeln sich die größten Wunder, die zwischen Menschen möglich sind, wenn sie sich so unterstützen, wie sie sind und dann fliegen lernen.
Auf ihren eigenen Wegen.

In der Geschichte wird vor allem deutlich, wie stark Menschen bewertet werden, die aus irgendeinem Grund andere Kommunikationswege brauchen als andere Menschen, genauso aber, dass die Welten der Menschen, die anders kommunizieren, kaum bekannt sind, wie zum Beispiel auch die Gebärdensprache.
"Das stimmt, sie kennt mich, seit ich fünf bin, aber wenn sie mich wirklich kennen würde, wäre sie nicht so aufdringlich".
Die Welten von Steffi und Rhys kennenzulernen, genauso wie ihre unterschiedlichen Freundschaften und Wege und Träume, Steffi arbeitet in einer Tierpension und möchte Verhaltensbiologie studieren, Rhys will Spieleentwickler werden, Tem ist begeisterte Sportlerin und sucht Wege für sich, wie sie mit Sport ihren beruflichen Weg gehen kann, ist sehr spannend. Gerade weil Menschen wie Steffi und Rhys - entgegen ihrer Diagnosen und Meinungen von anderen -  alles andere als still sind und am Ende sogar einen geheimen Ausflug nach Schottland unternehmen, wo sich für sie genauso viel wandeln wird, wie für alle anderen um sie herum.

Das einzige, was an "Vielleicht passiert ein Wunder", das so berührend ist, schwierig ist, sind die Szenen, in denen Steffi und Rhys sich sexuell näher kommen, da es dort schwierige Punkte gibt. Zum Beispiel der, dass Steffi hofft, dass Rhys nicht sieht, dass es an einem Punkt eher unangenehm ist (was schwer verständlich ist, weil ansonsten alles so aufmerksam ist und das dann auffällt) oder dass, wie in vielen Büchern, Steffi zuerst Rhys erregt, statt dass sie sich gegenseitig erregen würden oder aber zuerst Steffi, was von den körperlichen Gegebenheiten sowieso sinnvoller wäre.
Es ist sehr interessant, dass das in so vielen Büchern und Filmen auch als normal dargestellt wird, daher fiel mir das auf. Insbesondere weil Steffi und Rhys sehr liebevoll und aufmerksam und wirklich wunderbar anders miteinander umgehen.

Der Roman von Sara Barnard ist voller Humor und wirft ziemlich interessante Fragen dazu auf, wie wir wahrnehmen und vor allem Menschen wahrnehmen, die anders kommunizieren als wir selbst, und dass Menschen, die wir als still wahrnehmen, alles andere als das sind.
Vielleicht sehen und hören wir sie nur nicht.

"Wär es leichter, wenn ich als Erklärung etwas so Naheliegendes nennen könnte? Wärt ihr verständnisvoller?"

*Erschienen bei Sauerländer Verlag*

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Autorin / Autor: Sabrina Bowitz - Stand: 24. Juli 2018