Skeleton Tree - Nur die Wilden überleben

Autor: Iain Lawrence
Übersetzt von Anne Brauner

Als der zwölfjährige Chris die Einladung bekommt, mit seinem Abenteurer-Onkel Jack an der Küste Alaskas eine mehrwöchige Segelreise zu unternehmen, ist er begeistert. Mit dem Bruder seines gerade erst verstorbenen Vaters Zeit zu verbringen, scheint ihm jetzt genau das zu sein, was er braucht.

Doch auf dem Boot ist er nicht allein mit Onkel Jack - da gibt es auch noch Frank, der drei Jahre älter ist als Chris und ihm sofort feindselig gegenübersteht. Weil Chris seekrank wird, gibt ihm Onkel Jack Tabletten dagegen, die den schmächtigen Jungen für fast zwei Tage außer Gefecht setzen. Als er schließlich erwacht, findet Chris sich in einem fürchterlichen Sturm wieder, der das Boot letztendlich zum Sinken bringt. Zwar gelingt es ihm und Frank, in dem kleinen Rettungsboot zu entkommen, doch Onkel Jack ertrinkt.

Mit Müh und Not schaffen die beiden Jungen es, sich an einen Strand zu retten. Schon bald merken sie, dass es weit und breit keine Menschenseele und keine Zivilisation gibt. Nur einen unheimlichen Baum, in dessen dicken Astgabelungen tatsächlich Särge ruhen - und einen ganz besonderen, schlauen Raben, der irgendwie etwas für Chris übrig hat. Obwohl Chris und Frank einander nicht ausstehen können, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zusammen zu arbeiten, um am Leben zu bleiben. Dabei lernen sie immer mehr übereinander - und entdecken unglaubliche Gemeinsamkeiten.

„Skeleton Tree - Nur die Wilden überleben“ ist. Absolut. Grandios!
Ich kann wirklich sagen, dass mich die ganze Geschichte einfach nur begeistert hat, von vorne bis hinten. Obwohl das Buch nicht einmal dreihundert Seiten hat, zieht sich die Handlung beim Lesen irgendwie sehr - und das meine ich durchweg positiv. Es kommt einem einfach viel länger vor, fast schon so, als hätte man wirklich die gesamte Zeit mit Chris und Frank in der Wildnis verbracht. Die Beschreibung dieser Wildnis ist so gelungen, so echt, so greifbar und teilweise auch absolut erbarmungslos.

Ich liebe schaurige Geschichten ja sehr und fand, diese hier hatte genau das richtige Maß an Schaurigkeit. Bei den Beschreibungen des Skelettbaumes wird einem schon anders. Das Setting ist generell unglaublich atmosphärisch und das Alter des Protagonisten Chris genau richtig gewählt. Mit seinen zwölf Jahren ist er noch sehr naiv, hat Ängste, die vermutlich jeder von uns in diesem Alter hatte und die nun auch noch mit der Einsamkeit und Wildheit Alaskas kombiniert werden. Manchmal muss man vielleicht ein bisschen die Augen darüber verdrehen, wie unbescholten er noch ist, doch durchläuft er auch eine sehr deutliche Entwicklung, die mich richtig für ihn gefreut hat.

Die Beziehung zwischen ihm und Frank kann einen manchmal wahnsinnig machen und es war meist wirklich nicht leicht, Frank irgendetwas Positives abzugewinnen. Ob sich das ändert, möchte ich an dieser Stelle nicht verraten. Was ich aber verraten kann: Dieses Buch hat mich alle möglichen Gefühle und Gefühlsregungen durchleben lassen und ich habe es geliebt. Ich hatte mal schlichtweg Angst, habe mich gegruselt, war wütend und genervt, habe mich geekelt, konnte manchmal schmunzeln und vor allem war ich sehr oft sehr gerührt. Weinen musste ich auch nicht nur einmal. Und noch etwas, das einfach gesagt werden muss: Viel Liebe geht an den Raben Thursday.

Die Frage, wer Frank überhaupt ist, wird zwar erst spät geklärt, deutet sich aber sehr früh an. Es spricht für Chris‘ jungen Geist und seine Naivität, aber auch für den Wandel, den er durchmacht, dass er eine ganze Weile braucht, bis er es herausfindet.
Das Ende hat mir ebenfalls sehr gut gefallen, es passt zu Chris und Frank.

Zwischen den Kapiteln gibt es häufig Zeitsprünge, die teilweise etwas verwirrend waren, aber man fuchst sich da doch recht schnell rein und es war nichts, was tatsächlich langfristig gestört hätte. Zu meckern habe ich wirklich überhaupt nichts. Das wird definitiv nicht das letzte Buch sein, das ich Iain Lawrence gelesen habe und es war mit Abstand der beste Einstieg, den ich mir bezüglich dieses Autors hätte wünschen können. Also - unbedingt Lesen! Das ist ein Befehl!

*Erschienen im Verlag Freies Geistesleben*

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Autorin / Autor: Sarah - Stand: 2. März 2022