Nächte im Tunnel

Autorin: Anna Woltz
Übersetzerin: Andrea Kluitmann

Jugendliche während des zweiten Weltkrieges in London: Zu jung um zu kämpfen, alt genug um genau zu verstehen was da um sie herum vorgeht und genau in dem Alter, in dem Jugendliche nach ihrem Weg im Leben suchen.

Anna Woltz erzählt die Geschichte von vier jener Jugendlichen, gibt ihnen ein individuelles Leben und eine Stimme. Da ist Ella, die nach einer Erkrankung nur noch Hinken kann, seitdem von der Gesellschaft nur noch abschätzige Blick erhält und sich deshalb in ihre Fantasiewelt zurückzieht. Außerdem Jay, der durch kleine Gaunereien versucht sein Geld zu verdienen, wobei aber keiner weiß wozu er das eigentlich braucht, der kleine Robbie, der eigentlich noch ein Kind ist, aber wegen seiner Schwester nicht aufs Land fliehen konnte und natürlich die rebellische Quinn, eine Lady, die in Männerhosen von zuhause abgehauen ist und nach London kommt, um etwas in der Welt zu verändern, aber keine lässt sie, weil sie eine Frau und außerdem noch zu jung ist.

Diese vier treffen im Tunnel, in dem alle schlafen müssen, weil es nachts überirdisch zu gefährlich ist, aufeinander, freunden sich an und unterstützen einander.
Die Geschichte hat keine richtige Mission, kein Abenteuer ist zu bestehen, wie man das aus anderen Jugendbüchern kennt, die einzige Mission ist das tägliche Überleben.
Anna Woltz beschreibt ganz simpel das Leben von Jugendlichen im Alter von neun bis sechzehn Jahren während des Krieges – natürlich hat das ganze etwas abenteuerliches, aber über dem Ganzen schwebt dauerhaft diese dunkle Wolke der Realität; der Krieg und die Ankündigung der ersten Seite, dass einer unter ihnen sterben wird, sind ständig präsent und bringen einen dazu, das Buch nicht aus der Hand legen zu wollen.

Von Seite zu Seite baut die Autorin dadurch mehr Spannung auf, gerade, weil man jeden einzelnen Charakter immer mehr ins Herz schließt und mit jedem neuen Tag mehr mit ihm oder ihr kämpft und mitfühlt.

Da hat es mich auf den letzten Seiten auch unglaublich umgehauen, als sich die ganze Spannung dann schlussendlich entladen hat. Das Ende ist ergreifend, packend und gleichzeitig erschreckend, weil mir immer wieder bewusstwurde, dass die Geschichte dieser vier bei weitem kein Einzelfall war, sonder die pure Realität von Millionen von Kindern zu dieser Zeit.

Anna Woltz erzählt die ganze Geschichte in einfachen Worten und bringt Jugendlichen so die Zeit des Krieges auf eine sehr realistische Weise näher. Sie beschönigt nichts, gibt unterschiedlichen gesellschaftlichen Strömen dieser Zeit eine Stimme und verpackt sie in eine herzergreifende Geschichte.

In einem Interview auf der Frankfurter Buchmesse 2022 erklärte die Autorin, es sei ihr Ziel gewesen, ein Buch zu schreiben, dass zwar im Krieg spielt, aber nicht wieder wie viele seinen Verlauf darlegt, sondern auf einzelne Schicksale einzugehen, und zwar speziell auf die von jungen Erwachsenen. Wie es jenen gelingen kann, auch in solchen Zeiten sich selbst zu finden.
Meiner Meinung nach ist ihr das unglaublich gut gelungen! Ich halte das Buch definitiv für empfehlenswert – etwa ab einem Alter von 14 Jahren – es ist erschreckend, ergreifend, geht ans Herz und bringt einen aus unterschiedlichen Gründen zum Weinen – äußerst gelungen!

*Erschienen bei Carlsen*

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Autorin / Autor: Paula - Stand: 31. Oktober 2022