Mädchen in Scherben

Autorin: Kathleen Glasgow

Buchcover Mädchen in Scherben

Mit 17 machen sich die meisten Mädchen Gedanken um den Schulabschluss, welches Fach man an der Uni belegen soll, um Jungs und Make-up, die neusten Modetrends. Charlie, das „Mädchen in Scherben“ in Kathleen Glasgows Jugendroman hat dagegen ganz andere Probleme. Das Leben wirft ihr einen Schicksalsschlag nach dem anderen vor die Füße – verstorbener Vater, gewalttätige Mutter, Suizidversuch der besten Freundin. Dann lebt sie auf der Straße, gerät in die Obhut eines Mannes, der Mädchen sammelt und zwielichtigen Typen zum Sex anbietet.
Dem allen kann Charlie nur entkommen, indem sie sich selber wehtut, ihre eigene Haut aufschneidet und tiefe Narben auf ihrer Haut und ihrer Seele hinterlässt.
Erst als sie in einer Psychiatrischen Einrichtung landet lernt sie, dass es vielleicht auch einen anderen Weg gibt, mit all dem Schmerz zurecht zu kommen – doch der nächste Schicksalsschlag wartet schon. Ehe sie wirklich die Heilung anstreben kann, muss sie die Klinik auch schon wieder verlassen.
Auf nach Arizona, zu ihrem einzigen ihr gebliebenen Freund Michael, bei dem sie zunächst wohnen kann. Michael, in den sie eigentlich verliebt ist. Michael der aber mit einem Mädchen namens Bunny zusammen ist. Und dann ist da Johnnie, ehemaliger Musiker, jetzt Alkoholiker, der ihr den Job als Tellerwäscher organisiert und ihr den Kopf verdreht …

*Meine Meinung*
Wenn ich ehrlich bin, das Buch war für mich eine einzige Enttäuschung. Gerade weil ich in den Sozialen Medien sehr viel Hype um dieses Buch gesehen habe, sich viele in Begeisterungspostings verloren haben … ich weiß nicht was ich erwartet habe, aber definitiv nicht dieses Chaos an „zu viel wollen“.
„Mädchen in Scherben“ ist mit einem Wort ausgedrückt: intensiv. Der Schreibstil ist sehr lebendig und jugendnah, die Figur Charlie wirkt sehr plastisch und greifbar. Der Gedanke, das traurige Thema der Selbstverletzung, das leider sehr vielen Menschen im Laufe ihres Lebens begegnet, aufzugreifen ist gut. Ich bin allgemein dafür, Tabuthemen aus ihren dunklen Ecken zu holen und darüber zu reden. Jedoch ist es schwierig, und man muss sehr behutsam damit umgehen. Kathleen Glasgow hatte einen sehr guten Gedanken und auch das Potenzial stilistischer Gestaltung, diesen umzusetzen, ist jedoch glorreich gescheitert.

Charlie hat schlichtweg zu viele Schicksalsschläge, zu viele unglückliche Zufälle, um für den Leser noch zur Selbstidentifikation zu reichen. Es treffen zu viele schlimme Ereignisse aufeinander, um dem Durchschnittsbürger nahbar zu sein und greifbar zu werden. Das Thema der Selbstverletzung wird dabei unabsichtlich sehr verzogen. Die Gefahr liegt darin, statt Bewusstsein und Verständnis für Leute mit diesem seelischen Krankheitsbild aufzubringen, diesen vorzuwerfen, ihre Probleme seien „nicht groß/ schlimm genug“ um sie über Ritzen oder ähnliches für sich selbst erträglicher machen zu wollen. Die Bedeutung der kleinen Dinge geht völlig verloren, und dabei sind es gerade diese einzelnen Momente, die sich zu Dämonen aufblähen, die für viele Menschen ausschlaggebend sind, in den Strudel des Selbsthasses und der Selbstverletzung abzudriften.
Natürlich kann es Personen wie Charlie geben, gewiss gibt es einige, die einfach enorm viel Pech im Leben haben. Eben Menschen, die sich in Charlies massivem Schmerz wiederfinden können.
Allerdings ist das schon ein Schritt zu weit gedacht, ein Schritt zu viel gewollt, um das Massenbewusstsein für diese Thematik sensibilisieren zu wollen. Ein Schritt kürzer, ein, zwei Wendungen weniger in Charlies Geschichte und das Buch würde von mir vielleicht eine Weiterempfehlung bekommen.
Allerdings ist meiner Meinung nach zu viel gewollt worden und das Ziel dabei verloren gegangen. Während das erste Viertel des Buches nur durchaus eine 5 Sterne Geschichte mit Realitätsbezug verspricht, verliert sich das nach und nach in dem Versuch, jeden bisherigen Schicksalsschlag mit dem nächsten noch übertreffen zu wollen. Zu allem Überfluss wird auch noch eine Art Dreiecksliebesdrama zwischengeschoben, dass für mich das Fass nun wirklich zum Überlaufen gebracht hat.
Meine Wertung also: Viel Potenzial, das leider vergeudet wurde. Keine Empfehlung, aber ich hoffe die Autorin bleibt der Thematik treu, im nächsten Buch aber bitte mit einer besser strukturierten Handlung – dann entfaltet sich das Potenzial sicher besser! Ein bisschen traurig macht es mich schon, statt der möglichen 5 nur 2 Sterne geben zu können.

*Erscheint bei Fischer*

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Autorin / Autor: cheshirekitty - Stand: 10. Juli 2018