Lippenstift statt Treppenlift

Autorin: Johanna Urban

Buchcover Lippenstift statt Treppenlift

Demenz – erst mal ein erschreckendes Wort. Viele verbinden damit gleich die extremste Form der Krankheit, den Worst Case: Oma/Opa erkennen ihre Verwandten nicht mehr, sind orientierungslos, verloren.

Aber wie beginnt Alzheimer eigentlich? Wo fängt ein „bisschen Vergesslichkeit“ an und wo ist es schon eine ernst zu nehmende Krankheit?
Johanna Urban hat ein ehrliches, humorvolles Buch geschrieben, das ihre Erfahrungen mit ihrer Mama beschreibt, die an Alzheimer erkrankt ist. Diese ist eine jung gebliebene, forsche Person, die ihre aufkeimende Demenz verdrängt – zunächst.
„Im Alter kann man doch wohl ein bisschen vergesslich sein“ ist ihr Argument.

So muss Johanna häufig panische Anrufe ertragen, bei denen ihre Mutter sich Sorgen macht, dass ihre Tablettenration (die noch mehr als genug ist) nicht ausreicht oder sich lautstark über den (netten, nur kurz auftauchenden) Pflegedienst beschwert. Zudem vergisst sie oft zu essen und wundert sich gleichzeitig über nächtliche Bauchbeschwerden.

Johannas Mutter hat aber auch eine Verbündete: Ihre Schwiegermutter, Ömi genannt!
Und die macht sowieso alles richtig und sie kann sich so gut mit ihr unterhalten (beide reden aneinander vorbei, da sie nicht mehr gut hören). Johanna hat also alle Hände voll zu tun, um ihre Mutter zu pflegen und nicht auszuflippen, wenn ihre Mutter im Sommer mit Strickstrumpfhose rausgehen möchte und sich partout nichts sagen lässt. Sie muss mit engstirnigen, unlogischen Ansichten kämpfen und fragt sich, warum manche Senioren sich vom Alter überraschen lassen und nicht ein kleines bisschen für ihre Altersvorsorge interessieren. Gleichzeitig wird aber auch klar, dass Ältere sich einfach unglaublich schwer tun, einzusehen, dass sie hilfebedürftig sind und die Hilfe annehmen dürfen. So kommen Demenzkranke häufig schnell in gefährliche Lagen: zum Beispiel wenn sie vergessen zu trinken oder eine Überdosis Medikamente einnehmen.

Da muss aber nicht jeder gleich ins Altersheim, auch der Pflegedienst, der vorbeikommt um nach dem rechten zu sehen, kann ein Abenteuer sein... oder als Eindringling gesehen werden, obwohl man sich ja doch ganz gut mit ihr versteht.

Kurz und gut: Ein abenteuerlicher und sehr authentischer Lebensbericht über das Leben einer älteren fitten Dame mit beginnender Demenz – fern von den typischen (Worst Case) Vorstellungen von „Schuhe im Kühlschrank“ und „Aufwachen an einer fremden Bushaltestelle“.
Die Strapazen zwischen fürsorglicher Liebe und Schwierigkeiten, sich um eine geistig (noch) fitte Person zu kümmern, die jedoch intensive Aufmerksamkeit braucht – sich aber auch nicht gerne was sagen lässt.
Wie das trotz aller Widerstände auch gelingen kann erzählt das Buch. Durch den unterhaltsamen Schreibstil wirkt das Buch jedoch nicht bedrückend, aber dennoch einfühlsam.

*Erschienen bei Bastei-Lübbe*

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Autorin / Autor: mietzi8 - Stand: 10. Juni 2013