Gesunde Piraten, ängstliche Rechte

Studie der Uni Leipzig untersuchte WählerInnenverhalten

Denkt ihr auch, dass UnternehmerInnen und Selbstständige eher die FDP wählen, JuristInnen die CDU und Angestellte ihr Kreuzchen bei der SPD machen? Dann liegt ihr - wie so viele - falsch. Denn wie eine neue Studie der Uni Leipzig mit 2400 Wahlberechtigten im Alter zwischen 18 und 91 Jahren zeigt, sind die Wählerprofile weitaus vielschichtiger.
So hat zwar die FDP die reichsten WählerInnen, aber auch die Grünen werden von den Wohlhabenden gewählt. SPD und Linken-Anhänger zählen dagegen zu den weniger Verdienenden. Menschen, die unter 1000 Euro monatlich in der Tasche haben, gehen eher selten wählen oder schenken ihre Stimme den Piraten oder leider auch den extrem rechten Parteien, wobei diese auch sehr gut situierte AnhängerInnen vorzuweisen haben.

*Bildung*
Auch der Bildungsstand hat natürlich Einfluss auf das Wahlverhalten: Wer einen formal hohen Bildungsabschluss hat, wählt häufig die FDP und die Grünen - und neuerdings auch die Piraten. Viel Wissen scheint aber auch zu mehr Verwirrung zu führen, denn Gebildete machen einen Großteil in der Gruppe der Unentschlossenen aus.

*Arbeit*
Wer keine Arbeit hat, geht entweder überhaupt nicht wählen (ein Drittel), oder entscheidet sich für die SPD (20 Prozent) oder die Grünen (knapp 6 Prozent), aber wählt laut der Befragung auf keinen Fall FDP. Entgegen dem Klischee wählen zum Glück nur 3,5 Prozent von ihnen Rechts. Wer noch einen Arbeitsplatz hat, aber Angst hat, ihn zu verlieren, wählt auffallend oft Piraten. An der zweiten Stelle stehen hier gleichauf die Linken und die Nichtwähler. Die wenigsten Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen sich CDU-WählerInnen, interessanter Weise gleich gefolgt von den Wählern rechtsextremer Parteien.

*Alter und Geschlecht*
Während früher die Grünen-WählerInnen als die jüngsten galten, sind es nun die AnhängerInnen der Piraten-Partei; die sind durchschnittlich 34 Jahre alt. Zum Vergleich: CDU WählerInnen sind mit 58 Jahren weiterhin die Ältesten.
Das weit verbreitete Vorurteil, Piratenanhänger seien meistens Männer, wurde ebenfalls widerlegt. Ebenso wie bei CDU und SPD, halten sich auch bei den Piraten die Geschlechter annähernd die Waage. Bei den Rechten, der FDP und den Linken sind Männer dagegen deutlich stärker vertreten, wohingegen Frauen eher für die Grünen stimmen. Frauen scheinen übrigens auch öfter unentschlossen zu sein und gehen öfter als Männer nicht zur Wahl. Auch wahlberechtigte Migranten (Russlanddeutsche und Migranten in der 2. Generation) gehen auffallend oft nicht zur Wahlurne, und wenn, dann entscheiden sie sich etwas öfter als die Deutschen für der Piraten.

*Psychischer Zustand*
Da die Studie im Auftrag der Medizinischen Psychologie entstand, wurden auch Daten zum subjektiven Gesundheitszustand erhoben. Dabei kam heraus, dass PiratenanhängerInnen noch vor den Grünen- und FDP-WählerInnen ihren Gesundheitszustand bestens beschrieben (was die StudienautorInnen auch mit das Alter der AnhängerInnen erklären). NichtwählerInnen, CDU/CSU und Rechte-AnhängerInnen beklagen hingegen öfter einen schlechten Gesundheitszustand. NichtwählerInnen gaben außerdem auffallend oft an, ängstlich und depressiv zu sein, ein Zustand, den sie mit vielen WählerInnen rechtsextremer Parteien teilen. Am wenigsten ängstlich zeigten sich diejenigen, die für die FDP schwärmen und die Unentschlossenen, die noch nicht wissen, wen sie wählen sollen und länger abwägen. Am wenigsten depressive Stimmung berichteten die Piraten-WählerInnen.

*Weltoffennheit und Mediennutzung*
Dass eine multikulturelle Umgebung tolerant macht, zeigt sich darin, dass wer in Familie, Nachbarschaft oder Beruf Kontakt zu anderen Nationalitäten hat, weniger extrem Rechts oder Links, sondern vermehrt die Grünen und vor allem die Piraten wählt.

Es sind ebenfalls PiratenwählerInnen, die hauptsächlich die neuen Medien Smartphone, Computer und Internet nutzen, wobei auch Grünen- und FDP-Fans aufgeholt haben. Dagegen werden Informationen über Zeitung, Radio, Fernsehen oder Telefon von den Piraten-Wählern und den Nichtwählern aber auch den Wählern rechtsextremer Parteien am wenigsten genutzt, von FDP- und CDU/CSU-WählerInnen am stärksten.

Die Studienautoren Prof. Brähler und PD Dr. Decker fassen zusammen: "Die Piraten-Partei hat vornehmlich junge Anhänger, die in prekären Situationen leben, aber mit gutem Gesundheitszustand, außerdem zählen überraschend viele Frauen zu ihnen. Die Anzahl derjenigen, die angeben rechtsextreme Parteien zu wählen ist zurückgegangen, Menschen mit Sorge um ihren Arbeitsplatz scheinen sich umorientiert zu haben. Allerdings kann hier auch Antwortverhalten im Sinne einer sozialen Erwünschtheit eine Rolle spielen.
Auch bei den FDP-Wählern gibt es deutliche Veränderungen: Die Arbeitsplatzbesorgten wählen sie nicht. Die FDP hat wieder ein klares Wählerprofil als eindeutige Klientelpartei, nämlich die Reichen. SPD und Linke werden eher von den weniger Betuchten gewählt. Die Unentschlossenen scheinen sehr selbstsicher zu sein im Gegensatz zu den Nichtwählern mit einer ausgeprägten depressiven Grundstimmung."

Und wie sieht es mit euch aus? Erkennt ihr euch irgendwo wieder?

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 13. September 2012