Das unvollendete Leben der Addison Stone

Autorin: Adele Griffin
übersetzt von Anja Hansen-Schmidt
ab 14 Jahren

Buchcover Das unvollendete Leben der Addison Stone

Die Autorin Adele Griffin ist Addison Stone ein einziges Mal begegnet: Als Dozentin eines Schreibseminars am Pratt Institut (einer New Yorker Kunsthochschule). Addison hatte sich als Kunststudentin im ersten Semester in diesem Seminar eingeschrieben. Zur ersten Veranstaltung erscheint sie zu spät, entschuldigt sich nicht, beteiligt sich nicht an der Vorstellungsrunde. Noch am selben Tag meldet sie sich wieder von dem Seminar ab. Einige Monate später installiert Addison Stone ein Street Art Projekt auf der Manhattan Bridge, stürzt dabei in den Abgrund und stirbt.

Adele Griffin nimmt das zum Anlass, Addisons Leben und Sterben auf die Spur zu kommen. Und eine Biographie über sie zu schreiben. So zumindest tritt „Das unvollendete Leben der Addison Stone“ auf. Doch das Buch ist eine Inszenierung, und es will seine Leser in die Irre führen. Alles ist aufeinander abgestimmt: Das magazinhafte Cover, die großen Fotos und Abdrucke von Addisons Gemälden, die vielen Zeugenberichte. Sogar die Autorin nimmt eine Rolle an, um das Spiel glaubwürdig erscheinen zu lassen. Wo genau hier die Grenze zwischen Wahrheit und Fiktion liegt, müsst ihr schon selbst herausfinden. Fest steht nur: Wer an einem ernsthaften Sachbuch über Kunst interessiert ist, sollte lieber etwas anderes lesen. Wer einen besonderen Roman mit aufwendigem Zusatzmaterial lesen will, für den ist das hier genau das richtige.

Gleich zu Beginn wird klar: Addison ist eine hochbegabte und wunderschöne junge Künstlerin, doch sie fasziniert aus einem anderen Grund. „Sie wissen ja nicht“, sagt Addisons Mutter, „wie es die ganzen Jahre über war. Sie haben ja keine Ahnung, wie es ist, die Mutter eines Mädchens zu sein, von dem man meint, es könnte jeden Tag sterben - so lange, bis sie tatsächlich gestorben ist.“

Addison reitet in Museen auf Kronleuchtern, feiert wilde Partys, verliebt sich, redet mit Geistern. Und schafft Kunst, die überall Beachtung findet. Man kann ihre Geschichte nicht lesen, ohne ein bisschen so sein zu wollen wie sie: So gutaussehend, so begabt, so wild, so mutig. Aber Addisons Geschichte ist auch eine Geschichte über die Schattenseiten der Berühmtheit. Sie unterschreibt einen Vertrag bei einem renommierten Kunsthändler, von dem sie rasch ausgebeutet wird. Der Sohn einer Kunstkritikerin geht eine Beziehung mit ihr ein, um sein Image aufzubessern. Die Zahl ihrer wahren Freunde ist nicht sonderlich groß. Die Zahl ihrer Probleme dagegen schon.

Für das alles hat Griffin eine außergewöhnliche Perspektive gewählt: Sie erzählt die Geschichte mit den Stimmen derer, die Addison kannten. Mit den Stimmen ihrer Verwandten, Geliebten, Freunde, Lehrer und Nachbarn zum Beispiel. Jeder hat sein eigenes Bild von ihr, fühlt sich auf seine Weise mit ihr verbunden. Eine wunderbare Art, zu zeigen, welche Kreise ein Mensch in seinem Leben zieht, und wie jeder Mensch immer nur einen Ausschnitt des anderen kennt.

Auch wenn das Spiel im letzten Drittel des Buches etwas von seiner Authentizität verliert und die Handlung zunehmend vorhersehbar wird: „Das unvollendete Leben der Addison Stone“ ist aus vielen Gründen ein lesenswertes Buch.

*Erschienen bei cbt Verlag*

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Autorin / Autor: Ina - Stand: 29. Jnauar 2016