Das Glück am Ende der Straße

Autorin: Ulrike Herwig
Gelesen von: Angelika Thomas

"Das Glück am Ende der Straße" wurde von der seit 2001 in den USA lebenden Autorin Ulrike Herwig geschrieben. Die Geschichte handelt von zwei weiblichen Wesen, welche sich (un)bewusst die Frage "Was ist Glück?" stellen.

Lisa ist für ein Magazin tätig. Sie ist verheiratet, Mutter von 2 Mädchen und einem Jungen. Als Teilzeitredakteurin arbeitet sie an einem Projekt. Sie bemerkt, dass ihr Nachwuchs mehr Aufmerksamkeit benötigen würde und nimmt sich vor, bei nächster Gelegenheit mehr Zeit mit der Familie zu verbringen.

Im Gegensatz zu Lisa lebt Elli auf der Straße. Sie schläft abends in einem Gartenhäuschen, in der Woche kann sie zu einer Anlaufstelle für Obdachlose gehen. Auf ihrem Weg kommt sie an einem Spielplatz vorbei, der in der Nähe von Lisas Haus liegt. Dort lernt sie Lisas jüngeren Nachwuchs kennen, als Schutzengel gibt sie ihnen so manch klugen Rat. Die ältere Damen ist da, wenn sie gebraucht wird und zusammen mit einem Freund kann sie Lisas älteste Tochter aus einer sehr brenzligen Situation retten.

Je mehr ich in die Geschichte eintauche, um so mehr gewinne ich an Einsicht und Verständnis für Ellis Situation. Als Frau obdachlos in unserer heutigen Zeit obdachlos zu sein, stellt eine große Herausforderung dar. Beleidigungen, verachtende Blicke, unterschiedliche Wetterlagen sind zu ertragen. Jedoch erfährt Elli auch vom Leben, dass es  glückliche Momente gibt, herzliche Begegnungen und dass sie beschützt/auf sie geachtet wird.
Auch Lisa Situation ist nicht einfach. Sie muss auf ihrem Weg über Steine hüpfen, sich ihren Gefühlen stellen und entscheiden, ob sie mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen möchte.
Am Ende des Buches begegnen sich Elli und Lisa. Sie sind in tiefer Dankbarkeit miteinander verbunden, weil sie sich gegenseitig halfen, als dringend Hilfe nötig war. Für Elli werden Träume mit Hilfe von Lisa und ihrem Mann wahr.

Die Atmosphäre auf der Straße und im Aufenthaltsort für Obdachlose ist geprägt vom harten Überlebenskampf, Verzweiflung, Traurigkeit, Gleichgültigkeit, aber auch von Mitgefühl, Humor und Freude. Im Gartenhäuschen findet Elli Stille, Geborgenheit, Wärme und Mitgefühl, während es in Lisas Haus oft hektisch zugeht.

Die Sprache ist verständlich und klar.

Der Erzählerin Angelika Thomas gelingt es meisterhaft, die einzelnen Charaktere individuell mittels verschiedener Tonlagen darzustellen. Sprachgeschwindigkeit, Betonung und Lautstärke variieren. Das Hinhören fällt leicht.

Abschließend kann gesagt werden, dass die Autorin die ausgewählten inhaltlichen Themen spannend zur Geltung gebracht hat. Der Leser wird zum Beispiel angestupst, sich mit Obdachlosigkeit auseinanderzusetzen und den Umgang mit Obdachlosen zu reflektieren. Auch darf sich mit den verschiedenen Rollen einer Frau in unserer Gesellschaft befasst werden und regt zur Überlegung an, welche Bedeutung der modernen Familie zukommen sollte. Ist Familie und Beruf noch vereinbar? Wem und/oder was sollte wieviel Aufmerksamkeit zufließen?
Für diese Auseinandersetzung mit den verschiedenen Themen hat die Autorin ihre Charaktere gut dargestellt. Schnell kann sich der Leser in diese hineinversetzen.
Die Handlung ist gut nachvollziehbar und überrascht an manchen Stellen.
Das Ende lässt Raum für eine Fortsetzung.

Für Erwachsene, die tief berührt werden möchten und bereit sind, Geschenke des Lebens zu entdecken, anzunehmen und auszupacken.


*Erschienen bei GoyaLiT*

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    Autorin / Autor: summer22 - Stand: 28. Februar 2022