Spiegelkind

Majke war von der ersten Seite an von Julis Geschichte fasziniert und von ihrer Welt, die von unserer so verschieden ist.

Buchcover Spiegelkind

Alina Bronsky beschreibt in "Spiegelkind" eine fantastische und dystopische Zukunftsvision. Die 15- jährige Juliane Rettemi führte zusammen mit ihren beiden jüngeren Geschwistern bisher ein sicheres und angepasstes Leben in der "Normalität". Ihre Eltern sind wohlhabend, ihr Vater hat einen gut bezahlen Job, ihre Mutter malt Bilder, sogenannte Quadren. Juli geht auf ein Elite-Lyzeum auf das nur Kids gehen, deren Eltern das nötige Kleingeld für das teure Schulgeld haben. Das Stadtviertel, in dem sie lebt, ist ein Gebiet der "Normalen": gepflegte Häuser und Gärten, alles einheitlich, sauber, angepasst .... und langweilig. Bis sich ihre Eltern vor einigen Wochen getrennt haben, war für Juli die Welt in Ordnung, doch nach der Trennung wechseln sich ihre Eltern wochenweise mit dem Sorgerecht ab. Juli ist gerade dabei, sich an diese Regelung zu gewöhnen, als sich die Welt für sie schlagartig ändert. Ihr Haus wurde durchwühlt, alles deutet auf einen Einbruch hin und ihre Mutter ist spurlos verschwunden. Doch weder die Polizei, noch ihr Vater sind darüber erstaunt; die Polizei will keine Suche einleiten. Nur Juli ist verzweifelt. Widerwillig spricht ihr Vater das große Geheimnis aus: Julis Mutter ist ein Phee. Juli weiß mit dem Begriff nicht viel anzufangen, da ihre Mutter nie mit ihr darüber gesprochen hat. Als sie im Lyzeum ihre Mitschüler über Pheen auszufragen versucht merkt sie schnell, dass der Begriff Phee sehr negativ ist und von vielen als Schimpfwort benutzt wird. Doch eigentlich kann und will ihr auch keiner etwas genaueres über Pheen erzählen. Zu allem Ärger wird sie auch noch einer neuen Mitschülerin als Patin zugeteilt. Juli ist darüber nicht begeistert, denn die Neue, Ksü, sieht mit ihrem kahlen Kopf und dem Schlangentattoo merkwürdig aus, fast wie ein Freak. Und Freaks sind gefährlich, eine Randgruppe, auf sie lässt man sich als Normaler nicht ein. Trotz ihrer anfänglichen Abneigung wird Ksü in wenigen Tagen zu ihrer Freundin. Sie ist die einzige, die ihr bei der Suche nach ihrer Mutter helfen kann. Die Suche nach Informationen über Pheen gestaltet sich schwierig, doch Ksü hat ihren Laptop gehackt und hat Zugriff auf eine Internetsuchmaschine, die ohne Filter alle Suchanfragen bearbeitet. Die abenteuerliche Suche nach Julis Mutter beginnt ....

Was mir zuallererst erst an "Spiegelkind" aufgefallen ist, ist der wunderschön gestaltete Einband: Blumenranken in verschiedenen Blautönen ranken sich am oberen Rand, der Titel und Autorenname ist geprägt und ein silberfarbenes Netz, das an viele kleine Spiegelscherben erinnert, zieht sich über die komplette Seite.

Zu Beginn eines jeden Kapitels steht ein kleiner Absatz. Liest man die Absätze nacheinander, so ergeben sie eine eigene Geschichte, die gegen Ende noch eine Rolle im Buch spielt. Gleich auf den ersten Seiten wird klar, dass die Geschichte um Juli nicht in der Gegenwart spielt, sondern irgendwo in der Zukunft, in den "Zeiten der Normalität". Der Schulalltag und der Umgang der Schülerinnen untereinander ist sehr distanziert; Berührungen sind nicht erwünscht, jeder kümmert sich nur um seine eigenen Angelegenheiten. Fast scheint es, als seien Gefühle unerwünscht. Juli scheint auch keine echten Freunde zu haben, Besuche zu Hause gibt es nicht, nur Treffen an öffentlichen Orten. Doch für Juli ist das alles normal, sie kennt es nicht anders. Erst als sie Ksü begegnet ändert sich das, denn Ksü ist herzlich und interessiert sich als einzige für ihre Probleme, auch wenn sie wie ein Freak aussieht und in der Schule eine Außenseiterin ist. Durch das Zusammensein mit Ksü ändert sich auch Juli langsam, sie sieht ihr bisheriges Leben mit anderen Augen.

Alina Bronsky hat einen wundervoll leichten, flüssigen Schreibstil. Durch die Ich-Erzählform ist man ganz nah an Juli und ihren Gefühlen dran. Besonders gut hat mir gefallen, wie nach und nach deutlich wird, dass die Welt von Juli nicht nur dystopische Züge hat, sondern auch eine Welt voller Magie ist, wenn man die Augen dafür öffnet (was die meisten Menschen in Julis Welt nicht machen). Juli ist eine sehr sympathische Protagonistin und ich konnte mich sehr gut in sie hineinversetzen. Anfangs ist Juli noch ziemlich angepasst und auch etwas naiv, im Verlauf verändert sie sich aber immer mehr zum Positiven und beweist Mut und Stärke, auch in Bezug auf ihre kleineren Geschwister. Neben Juli ist Ksü ein ganz spannender Charakter, denn in Ksüs Vergangenheit gibt es ein dunkles Geheimnis, das sie geprägt hat. Ksü hat mehr Facetten als Juli, ist erfahrener und weiß mehr über die Gesellschaft, in der sie leben.

Ich war von der ersten Seite an von Julis Geschichte fasziniert und von ihrer Welt, die von unserer so verschieden ist. Die Magie der Geschichte kommt vor allem in den Quadren rüber, was ich absolut faszinierend finde. Aber noch viele andere Fantasy-Elemente, die ich an dieser Stelle nicht verraten möchte, machen Julis Geschichte zu einer spannenden Reise in eine magische Welt. Auch das Ende ist stimmig, lässt im letzten Satz aber alles offen für eine Fortsetzung dieser wunderschönen Fantasygeschichte. Ich kann "Spiegelkind" wirklich empfehlen und warte schon ganz gespannt auf den zweiten Teil.

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Autorin / Autor: Majke - Stand: 17. Juli 2012