Bis die Sterne zittern

Autor: Johannes Herwig

Harrow Jaeger, sehzehn Jahre alt, hat das jugendliche Talent, Probleme um sich zu scharen, wie andere Briefmarken ansammeln und lebt in Leipzig kurz bevor der zweite Weltkrieg ausbricht. Er ist der Protagonist des Debütsromans „Bis die Sterne zittern“ von Johannes Herwig.

Der Roman beginnt mit einer Befragung Harrows durch die Gestapo. Warum er befragt wird, wird an dieser Stelle nicht verraten. Das ergibt sich aus der fortlaufenden Geschichte. Dort wird beschrieben, wie er eine Clique kennen lernt, die sich als Gegenbewegung zur Hitler-Jugend und zum Bund der Deutschen Mädel etabliert. Es ist eine geschlechtlich gemischte Gruppe, in die Harrow dort gerät. So langsam freundet er sich mit den einzelnen Gruppenmitgliedern an und lernt ihre Lebensumstände näher kennen. Gemeinsam planen sie Ausflugstouren am Wochenende, starten eine Aktion gegen die aktuelle Politik, prügeln sich regelmäßig mit der HJ, haben Familienprobleme und verlieben sich - der ganz normale Wahnsinn des Erwachsenwerdens, den es auch schon in der Vorkriegszeit gab.

Die Geschichte spielt in Leipzig im Jahr 1936, drei Jahre bevor der zweite Weltkrieg ausbricht. Harrow lebt bei seinen Eltern, die beide Lehrer sind und gerne möchten, dass er studiert. Die Hitler Jugend und der Bund Deutscher Mädel nimmt überhand in der Organisation der Freizeit der Jugendlichen. Zudem bekommt die Gestapo mehr Macht und wird im Laufe des Buches zu einer größeren Bedrohung.
Der Roman ist inspiriert von wirklichen geschichtlichen Begebenheiten: in Leipzig gab es die sogenannten „Meuten“, die sich gegen die HJ stellten. Zunächst konnte die HJ und die Polizei diese Entwicklung nicht stoppen, sondern wurden von ihr überrannt. Allerdings schritten diese dann härter gegen die Banden ein. Es gab Prozesse wegen Hochverrats und Vorbreitung zum Umsturz, was zu Gefängnisstrafen und speziellen Erziehungsmaßnahmen führte, sodass diese Bewegung das NS Regime nicht stürzen konnte.

*Meine Meinung*
Herwig macht am Anfang des Buches seinen Leser gekonnt gespannt auf die Auflösung des Buches. Am Anfang ist man neugierig, wie sich die Geschichte entwickelt, warum Harrow von der Gestapo befragt wird und was dahinter steht. Dabei benutzt Herwig am Anfang des Buches eine sehr poetische Sprache mit vielen originellen Vergleichen, zum Beispiel „ Elfenbeinfarbende Straßenbahnen luden zerrupfte Trauben von Menschen aus und wieder ein“ (13) oder „ […] doch immer wieder flossen meine Gedanken weg zu dem Erlebnis vor ein paar Tagen, wie die Farben bei einem viel zu nassen Aquarell.“ (S.19).
Herwig beschreibt in seinem Buch die Welt des sechzehnjährigen Harrows auf passende, sachliche und nicht aufgetragene Art und Weise. Sehr gut gefällt mir auch, dass die menschlichen Beziehungen in dem Buch nicht verkitscht werden, sonder sehr real und glaubhaft wirken.
Vielleicht wirkt es dadurch auf den ersten Blick nicht immer schön, aber genau diese Ehrlichkeit macht das Buch zu dem, was es ist. Der Roman ist wortreich und die Hintergrundbegebenheiten wirken gut recherchiert. Auch gefällt mir der ungewöhnliche Spielort Leipzig. Schade finde ich, dass der Spannungsbogen im Verlauf der Geschichte nach der Aktion mit den Schaukästen abfällt und dann recht monoton bleibt, dagegen die Aufklärung am Ende, warum die Gestapo Harro mitgenommen hat, sehr dünn ist und sehr schnell von statten geht.

Alles in allem lohnt es sich, das Buch zu lesen, da es einen sehr schönen Anfang hat mit vielen poetischen Vergleichen und die Beziehungen der Freunde untereinander schön realistisch gestaltet ist und keine rosa rote Brille aufgesetzt hat.

*Erschienen im Gerstenberg Verlag*

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Autorin / Autor: an32 - Stand: 4. Januar 2018