Baumschläfer

Autor: Christian Duda

„Baumschläfer“ ist ein Roman des Kinder- und Jugendbuchautors Christian Duda (oder eigentlich Christian Achmed Gad Elkarim), der heute in Deutschland lebt und hier als Autor und Regisseur tätig ist.

In die Erzählung startet Duda mit erschreckenden Bildern von einem Erlebnis, das der erst 14-jährige Marius nie vergessen wird: Vor seinen Augen wird seine Mutter ermordet, er selbst schwer verletzt und das von niemand anderem als vom eigenen Vater. Gemeinsam mit seiner älteren Schwester Esther muss der merkbar traumatisierte Marius folglich in ein Heim. Mit seinem Zimmerkollegen Boris kommt er zwar klar, aber er spricht kaum mehr – weder mit Boris, Esther noch mit den Erwachsenen, die helfen möchten. Marius stiehlt wiederholt und streitet sich mit den Heimhelfer:innen bis er schließlich davonläuft und obdachlos wird. Der Autor schildert unschöne Details vom Leben auf der Straße - beziehungsweise am Spielplatz oder in einem Karton - mit Hunger, Dreck, Langeweile, Nässe, Kälte und Angst als tägliche Begleiter. Trotz mehrmaliger Hilfsangebote durch die Obdachlosenhilfe oder empathische Nachbarschaftsbewohner:innen in der Nähe seiner Schlafstätten bleibt Marius Anwohner des Nirgendwo und Überall.

Im Nachwort schreibt der Autor, wie es zu dem Buch kam, denn der fiktiven Erzählung liegt eine wahre Begebenheit zugrunde: 2017 wurde in den deutschen Medien über die Leidensgeschichte des jugendlichen „Mark“ berichtet, die Christian Duda in einem Roman festhalten wollte. Er suchte hierfür auch mehrere der vielen Wohnorte des obdachlosen Jungen auf, änderte im Roman jedoch die Namen und Details ab oder ergänzte andere. Innerhalb der letzten Kapitel wechselt ab und zu die Erzählstimme, sodass der Autor aus eigener Position berichtet und seine Recherche oder auch die empfundenen Trauergefühle beschreibt.

Definitiv keine leichte Sommerlektüre, aber ein lehrreiches Buch über nicht aufgearbeitete Schicksalsschläge, häusliche Gewalt und Obdachlosigkeit in jungem Alter. Dudas Stil ist dabei einzigartig, so hebt er Marius‘ Gedanken, die mit zunehmender Isolation sprachlich bruchstückartiger werden, durch Fettdruck und im Kontrast zum übrigen Text hervor. Das ist inhaltlich sehr passend, da zwischen dem Jugendlichen und seiner Umwelt eine große Distanz herrscht, die im Laufe der Erzählung anwächst. Marius schweigt, nur die Leser:innen bekommen  Einblick in seine ungefilterte Gefühls- und Gedankenwelt. Meist ist das gut gelungen, an manchen Stellen ist der Wechsel etwas zu häufig, sodass man ein paar Zeilen nochmals lesen muss. Dennoch ein wirklich gut gelungener Roman, der traurig und nachdenklich stimmt und ein kleiner Spoiler: Ein Happy End gibt es leider keines.

*Erschienen bei Beltz*

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Autorin / Autor: Konstantina H. - Stand: 19. August 2022