Ein Revolutionär aus Versehen

Torvalds bastelt freie Software für alle

Linus Torvalds schreibt in dem Buch "Just for FUN - the Story of an Accidental Revolutionary" er sei ein hässlicher, eher langweiliger Junge gewesen: "Es spielte gar keine so große Rolle, dass ich ein bebrillter Zwerg mit dem Gesicht eines Bibers war, an den meisten Tagen ungepflegte Haare hatte (und an allen anderen übrigen *extrem* ungepflegte) und mich unmöglich anzog. Weil ich so ein einnehmendes Wesen hatte." **g** Um dann die Wahrheit zu gestehen, dass er *kein* einnehmenden Wesen hatte: "Leider nein. Nein, seien wir ehrlich, ich war ein Freak. Ein Nerd. Ein Geek. Praktisch von klein auf... Und das in einer Zeit, in der es noch nicht angesagt war, ein Nerd zu sein." Torvalds pflegt also auch selber den Mythos vom bebrillten Typen, der gut in Mathe ist, aber keine Freunde hat. JedeR kennt so jemanden.

Das Leben eines Nerds

Als Torvalds im zarten Jungs-Alter den ersten Rechner bekam, war er glücklich und von da an für immer an das Universum aus Einsen und Nullen gefesselt. Natürlich studierte er - an der Universität Helsinki - Informatik. Mit Anfang 20 nahm er einen Kredit auf und kaufte sich einen billigen, wenn auch für damalige Verhältnisse (1990/91!) einigermaßen leistungsstarken Rechner mit 4 Megabyte RAM und 33 Megahertz - und einem schlichten 14-Zoll-Monitor. Als Betriebsystem bestellte er sich für - 169 Dollar - Minix. Das dazugehörige Buch vom Minix-Entwickler Tanenbaum kannte er ohnehin schon auswendig: "Jeder hat ein Buch, das sein oder ihr Leben verändert hat. 'Die Heilige Schrift.' 'Das Kapital.' 'Dienstags mit Morrie.' 'Alles was ich wissen musste, lernte ich im Kindergarten.' Was auch immer. Das Buch, das mir neue Welten erschloss, war Andrew S. Tanenbaum 'Operating Systems: Design and Implementation'". Minix erschien Torvalds dennoch, kurz nachdem er es installiert hatte, als zu unpraktisch. Er bastelte an Verbesserungen und schrieb schließlich ein Terminal-Emulationsprogramm, mit dem er auf den Unix-Rechner der Uni zugreifen wollte. Im September 1991 stellte Torvalds die Version 0.01 ins Netz mit der Bitte an Anwender in aller Welt, ihm doch dazu Fehlerberichte zu schreiben.
Die Resonanz war ungeheuerlich - und seine Anhänger sammelten sogar für ihn, damit er seinen Rechner abbezahlen konnte. Noch heute arbeitet Linus Torvalds - inzwischen lebt er in den USA, ist verheiratet und hat zwei Kinder - am Linux Kernel. Und gilt im Unix-Universum als absoluter Superstar. Im Sommer 2003 wird voraussichtlich der Linux Kernel v2.6.0 erscheinen.

GNU - General Public License

Obwohl Torvalds nach eigener Aussage sich nicht besonders für Politik interessierte, war von Anfang an klar, dass Linux für alle zugänglich sein sollte. Er stellte Linux unter die GNU General Public License, die durch den Erfolg von Linux weltweite Beachtung fand. Von der Existenz dieser Lizenz-Idee hatte Torvalds in einer Gastvorlesung gehört - die Vorlesung hielt Richard Matthew Stallman. Stallman war und ist ein richtiger Hippie. Oder auch "der letzte Hacker der Altvorderenzeit": Auch er gehörte zu den Leuten, die gegen die Vermarktung von Unix waren und dagegen kämpften, dass es keine freie Software gab. Außerdem verachtete er Passwörter und fand, ALLES sollte für ALLE sein. Er wird mit Sätzen wie diesem zitiert: "Ich finde nicht, dass Software Eigentum sein sollte, weil mit dieser Praxis die Menschlichkeit im Ganzen sabotiert wird. Sie verhindert, dass die Menschen aus einem Programm den maximalen Nutzen ziehen." In den 80er Jahren griff jedoch die Vermarktung von Software immer weiter um sich. Auf einmal mussten Softwarenutzer Lizenzvereinbarungen unterschreiben, die ihnen verboten, Kopien der Software weiterzugeben. Natürlich wurden auch die Quellcodes nicht mehr offengelegt. Stallman wollte seine Ideale schützen und entwickelte deswegen das "GNU-Projekt" und eine eigene Lizenz. GNU bedeutet "GNU's Not Unix" und ist ein auf sich selbst bezogenes Akronym – ein beliebtes Wortspiel unter Computerfreaks. Stallman entwickelte ein Unix-ähnliches Betriebssystem und stellte sie unter seine eigene GNU General Public License. Diese Lizenz schützt nicht etwa das Copyright und stellt Weitergabe und Kopieren unter Verbot, sondern im Gegenteil: es ist ein "Copyleft", das ausdrücklich verlangt, alle Informationen einschließlich des Quellcodes kostenlos offenzulegen und auch erlaubt - oder sogar wünscht - dass die Software weitergegeben, verändert und verbessert wird.
Damit erfand er einen Standard, der Rechtssicherheit gab und verhinderte, dass auf einmal Elemente oder ganze Codes einer zuvor freien Software von irgendjemanden für sich beansprucht und vermarktet werden konnten. Eine geniale Idee: nicht nur Linux steht unter der GNU Public License, sondern mittlerweile jede Menge Software - das Bildbearbeitungsprogramm Gimp ebenso wie das Maskottchen Tux. Und eine Idee, die sich mittlerweile auch außerhalb der Softwarewelt wieder stärker etabliert. Wie gut. Informationen, egal ob DNS-Code oder Klavierpartitur, gehören nicht einer Person allein, sondern der Allgemeinheit.

Interview mit einem Fan

Autorin / Autor: Astrid - Stand: 12. Mai 2003