Der verlorene Troll

Charles Coleman Finlay
Übersetzt von Anja Hansen-Schmidt

Der Erbe Claye wird als Säugling von seiner Amme und einem Ritter vor dem sicheren Tod gerettet. Als seine Beschützer auf der Flucht umkommen, nimmt sich eine Trollmutter seiner an, die gerade ihr Kind verloren hat. Gegen den Willen ihrer Sippe zieht sie ihn groß wie einen eigenen Sohn. Die Anerkennung bleibt ihm trotz seiner offensichtlichen geistigen Überlegenheit, mit der er auch das Überleben der Sippe ermöglicht, verwehrt. Denn für die Trolle bleibt er ein Außenseiter. So zeiht er aus, um sich eine menschliche Partnerin zu suchen.

*Troll im Menschenkostüm*
Als eine Art edler Wilder eckt er aber auch in der Menschenwelt an mit seinen merkwürdigen Trollmanieren, seiner Unfähigkeit zu hassen, zu lügen und unfrei zu sein. Denn an ihm ist wirklich ein Troll verloren gegangen. Dennoch lernt Made, der nun wieder Claye heißt, sprechen, kämpfen und töten. Er findet falsche und echte Freunde und eine Frau, an die er sein Herz verliert. Alles läuft - wie man glaubt - nach Schema F. Nun muss der Held noch in die Intrigen und Machtspiele eingeführt werden und endlich zu seinem Geburtsrecht kommen. Dann kann er die schöne hohe Dame heiraten und als gerechter Herrscher den Platz einnehmen, der ihm bestimmt war. Kann sich wie der Graf von Monte Christo rächen an denen, die seiner Familie Unrecht angetan haben.

*Schema F auf Abwegen*
Spätestens an dem Punkt als ich ungeduldig wurde, wie das auf den wenigen Seiten noch zu erreichen sein sollte, verlässt der Roman die Spur, die ich glaubte vorhersehen zu können. Es entstehen vermeintliche Längen, weil man auf etwas hinlesen möchte, das aber gar nicht kommt.
Manche Erwartungen tritt der Autor mit Füßen: Blut ist eben nicht immer dicker als Wasser und nicht jeder will die Rolle spielen, die ihm ein hollywoodverliebter Fantasy-Fan gerne anhängen würde. Made ist ein Troll im Menschenkostüm und sitzt darum zwischen allen Stühlen. Zerrissen findet er hier nicht und da nicht seinen Platz, und geht doch ganz gelassen - den Schalk im Nacken - seinen eigenen Weg.

*Liebenswert*
Ein bißchen Urzeitgeschichte haftet dem Roman an, als handle er eigentlich vom Aussterben der Neandertaler. Eine schöne Geschichte, die den Troll mit seinen liebenswerten Unarten zum eigentlichen Menschen macht und den großen menschlichen Konflikten, den Kriegen und Staatstreichen einfach nichts abgewinnen will. Fernab kitschiger 0815-Fantasyromane, ist das Buch stellenweise so witzig, dass man laut auflachen muss, und dann wieder traurig, melancholisch und voller Sehnsucht nach dem Ursprünglichen und Aufrichtigen. Schön!

Autorin / Autor: merceda - Stand: 13. April 2007