Während sie wahrnahm, wie die Bewohner Dragosias den Schlachtruf wiederholten, wurde Enyas Blick plötzlich verschwommen. Durch den Schleier erkannte sie gerade noch Amariter, die direkt auf sie zuritt. Im selben Augenblick packte Neró ihr Handgelenk und zerrte sie durch das Heer zurück in den Wald.
Als sie angekommen waren, rief Enya benommen durch den Schleier, der ihre Sinne benebelte: „Wir müssen zurück! Wir müssen für Dragosia kämpfen!“
Neró ließ sie los und betrachtete sie eingehend. „Nein. Du weißt, wie der Plan lautet. Wir müssen sofort zurück zur Lichtung.“
Als Enya widersprechen wollte, sprach er unbeirrt weiter: „Du spürst es genau in diesem Moment. Du fühlst dich benommen, oder? Ich spüre es auch. Es ist der Vesuv. Das ist unsere Aufgabe. Wir sollen nicht einen unnötigen Kampf führen. Wir müssen die Menschen aus unserer Welt retten.“
„Von wegen unnötiger Kampf. Die Menschen aus unserer Welt.“ Enya schnaubte. „Hier ist meine Welt. Hier werde ich respektiert. Ich werde respektiert, weil ich ihnen Hoffnung gebe. Und deshalb muss ich kämpfen.“
Neró schüttelte den Kopf. „Nein. Es ist zu gefährlich. Und außerdem darfst du die Menschen nicht im Stich lassen, so sehr du sie auch verachtest.“ Seine Stimme hatte einen ungeduldigen, wütenden Unterton angenommen.
Enya starrte ihn an. „Du verstehst das nicht. Es ist meine Bestimmung, diesen Krieg zu verhindern. Ich… ich habe eine Entscheidung getroffen. Entarna will, dass ich sie verwirkliche.“
Der Hüter des Wassers sah sie angewidert an. „In dieser Hinsicht bist du absolut egoistisch. Du bist ein Mensch, ob du es willst oder nicht. Also musst du auch für sie kämpfen!“
Enya schloss die Augen und atmete aus. „Ich habe es geübt“, gestand sie, „letzte Woche.“
Als Nerò sie verwirrt anblickte, fuhr sie fort: „Ich habe geübt, mein Element unter Kontrolle zu halten, während ich kämpfe. Als ich letzte Woche sagte, ich spüre noch nichts… Es war eine Lüge. In Wirklichkeit habe ich Tag und Nacht die sich anstauende Lava gespürt. Und beim Kampfunterricht habe ich begriffen, wie ich damit umgehen kann. Auch Drago weiß, wie man kämpft und gleichzeitig den Vulkanausbruch verzögert. Er sorgt schließlich für das Element Luft, seit Aura tot ist.“
„Verdammt, Enya!“ Neró starrte sie einen Moment lang wütend an, dann wendete er den Blick ab und schwieg. Sekunden verstrichen, ohne dass er sich rührte. Enya starrte ihn noch immer entschlossen an. Dann begann er, zur Blumenwiese umzukehren. „Ich hoffe, du passt auf dich auf“, sagte er leise.
Enya folgte ihm, bis sie an seiner Seite lief, erwiderte jedoch nichts.
„Natürlich werde ich nicht von dir weichen, bis der Kampf vorbei ist“, ergänzte er.
Die Hüterin des Feuers lächelte angesichts dieser Worte und schwieg.
Die Geräusche des Kampfgetümmels wurden lauter. Man hörte Schwerter, die gegeneinander prallten, Metall an Metall. Schmerzensschreie und Triumphgeheule wurden vernehmbar. Enya wollte sich gar nicht erst ausmalen, welche dieser Schreie zu ihrer Armee gehörten.
Auf einmal hörte sie knirschende Äste, und etwas brach durch das Gebüsch und stürzte auf sie zu.
In Sekundenschnelle stellte sich Neró vor die Hüterin des Feuers und zückte sein Schwert.
„Verwechsele mich bitte nicht mit dem Feind“, ertönte Jordans Stimme.
Neró wich zurück und steckte das Schwert zurück in die Scheide. „Tut mir leid. Es hätte sein können, dass sich eines von Amariters Biestern in den Wald verirrt hat.“ In wenigen Minuten klärte er daraufhin seinen Freund auf, dass sie am Kampf teilnehmen würden. „Sie ist nicht davon abzubringen“, erklärte er dem Hüter der Erde, „und anscheinend hat sie einen Plan, wie sie den Krieg verhindern kann. Ich schätze, sie will ihn uns aber nicht verraten.“
Enya schüttelte den Kopf und sah, dass Jordan wider Willen trocken auflachte.
„Das ist typisch“, meinte er achselzuckend. „Wir müssen uns also wohl oder übel überraschen lassen.“ In seinem Gesicht zeichnete sich Besorgnis ab, doch er wollte sie offenbar nicht aufhalten, wofür ihm Enya unendlich dankbar war.
Die Hüterin des Feuers versuchte zu lächeln, doch es gelang ihr nicht. Ihr Entschluss würde keinesfalls amüsant werden, da war sie sich sicher. Ihre Freunde würden mit allen Mitteln versuchen, sie von ihrem Plan abzubringen, wenn sie ihn erst einmal verstanden hatten. Doch dann würde es bereits zu spät sein.
Schweigend folgte sie ihren beiden Freunden zurück zur Blumenwiese.
Mittlerweile war der Kampf in vollem Gange. Die Bewohner Dragosias kämpften verbissen um ihr Leben und ihr Reich. Dennoch konnte man sofort sehen, dass sie in der Unterzahl waren und den Sieg sicher nicht davontragen würden.
Enya stürzte sich an die Seite ihrer Mitstreiter. Aus dem Augenwinkel sah sie Neró, der sie von der rechten Seite schützend isolierte und Jordan, der die linke Seite übernahm.
Ein Schwert raste mit furchteinflößender Geschwindigkeit auf sie zu. Sie duckte sich und nahm ihren Dolch aus der Scheide. Ihre Hand mit der Waffe verharrte in der Luft, während sie zusah, wie Neró in Sekundenschnelle vortrat. Ihr wurde übel, als er blitzschnell die Waffe in den Körper ihres angreifenden Gegners, einen Kobold, rammte. Das Fabelwesen gab einen gurgelnden Laut von sich und sank auf die Erde. Blut quoll aus seinem Bauch, während Neró ihm den Todesstich versetzte. Enya starrte den toten Körper an und steckte wie hypnotisiert ihren Dolch zurück.
Doch statt nun zu Atem zu kommen, folgten zwei Werwölfe. Ihre gelben Augen glühten und sie fletschten ihre langen Fangzähne, wobei zitternde Speichelfäden von ihren Schnauzen tropften.
Diesmal stach Jordan zu, er tötete das erste Tier, indem er ihm die Kehle durchschnitt. Als das zweite Geschöpf auf sie zusprang, nahm Enya blitzschnell ihren Bogen zur Hand, doch sie wusste, dass sie viel zu langsam reagierte. Neró kam ihr zuvor und verpasste dem Werwolf eine tödliche Wunde, die sich vom Kopf über den Hals und Bauch hinzog. Das Tier lief noch einige Schritte weiter, ehe sich seine Augen verdrehten und sein Körper auf die Erde stürzte. Neró fuhr zu ihr herum, wie durch einen Schleier hörte sie ihn rufen: „Enya, warum bei Entarna tust du denn nichts? Tot wirst du Dragosia auch nichts bringen!“
Enya blendete die Geräusche um sie herum aus und schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, betrachtete sie die Erde vor ihren Füßen. Sie war übersäht mit Leichen. Tote Augen blickten sie von überallher an. Erstarrte Hände griffen ins Leere, und zerfetzte Haut und blutende Wunden rundeten das grausame Bild ab. Mindestens die Hälfte der toten Körper gehörte zu Dragos Heer…
Enyas Fäuste ballten sich zusammen. Ein hünenhafter Troll mit einer riesigen Keule schritt auf sie zu. Sie hob den Bogen, den sie zuvor gesenkt hatte, bereit, ihm einen Pfeil auf seine Stirn abzuschießen, doch… sie konnte nicht. Und da wurde es ihr klar. Sosehr sie auch geübt hatte, so gut sie auch mit Pfeil und Bogen umgehen konnte, eines konnte sie gewiss nicht. Ich kann es nicht. Ich kann nicht töten.
Der Troll lief laut grunzend weiter auf sie zu. Neró war mit einem anderen Gegner beschäftigt; Enya hörte seine aus Leibeskräften brüllende Stimme: „Jordan! Hilf ihr!“. Als der Troll mit seiner Waffe ausholte, wich sie zur Seite aus, Jordan tauchte neben ihr auf und stach blindlings mit seinem Dolch in den nun wehrlosen Bauch des Feindes. Dieser heulte auf, fiel und begrub drei Gnome unter seinem toten Körper. Enya starrte zuerst die neue Leiche mit den drei darunter eingeklemmten zappelnden und keifenden Gnomen, dann Jordan an. Dieser wiederum sah sie mit einer Mischung aus Besorgnis und Fassungslosigkeit an, weil sie nicht reagierte, sich auf diese Weise in Lebensgefahr brachte und das Ganze einem Selbstmord gleichkam. Für den Bruchteil einer Sekunde erwiderte sie erschrocken seinen Blick, dann rannte sie los. Hinter ihr hörte sie die aufgebrachten Stimmen und Rufe von Neró und Jordan. Sie lief und lief, wich den Kämpfenden und ihren Waffen aus, und sie wusste, dass es ein Wunder war, dass sie noch nicht getroffen wurde. Plötzlich wünschte sie sich, weit, weit entfernt zu sein.
Nach Luft japsend, blieb sie stehen und richtete ihren Blick wieder auf ihre toten Kameraden. Entarna… Ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, um meine Entscheidung zu treffen? Wie soll ich denn bloß den Mut aufbringen?
Auf einmal rollte etwas auf sie zu. Nach genauerem Hinsehen entpuppte es sich als ein weißer Fellball mit blutverschmierten Dolchen in seinem Fell. Plum sprang über Enyas Kopf hinweg. Sie drehte sich um und sah zu, wie er als rollende Waffe über den Boden glitt und seine Gegner regelrecht unbemerkt zur Strecke brachte, indem er sein Fell sträubte und mit den Schwertern in ihre ungeschützten Stellen stach.
Enya schüttelte wie betäubt den Kopf. Zu viel Blut wird vergossen. Die Worte wiederholten sich in ihrem Kopf, ein Echo nach dem anderen, als sie plötzlich eine Eingebung vor Augen hatte. Es ist die einzige Lösung, dachte sie benommen, auch wenn sie unendlichen Mut erfordert. Sie hörte Nerós Stimme aus einiger Entfernung, er schien sich zu nähern und schien schon fast in Sichtweite zu sein.
Doch sie warf entschlossen ihre Waffen auf den Boden. Ihr Dolch und ihr Bogen landeten unsanft im langen Gras.
Sie war noch nie gut darin gewesen, gezielt ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, vor anderen zu sprechen. Sie war stets die Außenseiterin gewesen, daran gewöhnt, unerhört zu bleiben. Doch aus irgendeinem Grund wusste sie: Dieses eine Mal würde sie es schaffen.
„Amariter!“, brüllte sie aus Leibeskräften. „Ich erhebe Einspruch!“ Ihr Herz klopfte wie wild, doch sie wusste, dass sie diese Entscheidung treffen musste und dass dies das einzig Richtige war.
Die Tiere und Fabelwesen hörten abrupt auf, zu kämpfen. Es wurde still. Alles schien stillzustehen, selbst die Zeit. Lediglich das Keuchen der um Leben ringenden Verwundeten war noch zu hören. Enya versuchte es, so gut es ging, auszublenden. Die Bewohner Dragosias starrten Enya verwundert an. Dennoch spiegelten sich Zuneigung und Respekt in ihren Augen wider, als sie erkannten, dass die Hüterin des Feuers an der Schlacht teilgenommen hatte.
Die Menge teilte sich, als Amariter mit wallendem, strähnigem Haar durch die Menge auf Enya zugeritten kam. Ihre schwarzen Augen glänzten wie glühende Kohlen. Sie sprang von ihrem Phantompferd ab und stellte sich breitbeinig vor die Hüterin des Feuers.
„Was willst du, mein Kind?“, fragte sie. Sie verdrehte ungeduldig die Augen. „Ich hatte einen riesigen Spaß, ehe du diesen Kampf so schamlos unterbrochen hast.“
„Ich biete dir ein Angebot an.“ Enyas Atmung beschleunigte sich nochmals, doch sie zwang sich zur Ruhe und beschwor ihre Stimme, nicht zu zittern. „Drago forderte dich zu einem Zweikampf auf, doch du hast abgestritten.“ Sie ließ eine Pause. Schließlich fuhr sie fort: „Nun fordere ich dich zu einem Duell heraus.“
Ein Raunen ging durch die Menge.
Hinter sich hörte sie ein Stöhnen; es war Neró, der sich zu ihr durchgekämpft hatte und nun nach vorn trat. Er durchbohrte Enya mit einem entsetzten Blick, ehe er die Hexe ansah und sprach: „Verzeiht mir, Amariter. Ich denke, sie weiß nicht, wovon sie spricht.“
„Da bin ich mir aber nicht so sicher“, erwiderte Amariter mit einem hämischen Grinsen. Sie wandte sich wieder an die Hüterin des Feuers: „Forderst du mich tatsächlich zu einem Zweikampf heraus?“
Enya starrte die Zauberin feindselig an. „Ja“, erwiderte sie, „und ich stelle eine Bedingung: Ich kämpfe mit dir als Drache.“
„Aber natürlich“, säuselte Amariter. „Das hättest du wohl gern. Das heißt, sofern ich dem Duell zustimme.“
„Das darfst du nicht!“, ertönte ein Ruf aus der Menge.
Enya sah, wie ihr blutverschmierter Vater sich durch seine Krieger schlängelte, bis er neben ihr stand und sie zu ihm hinaufsehen musste. „Ich habe dir gesagt, du sollst zurück zur Lichtung gehen! Wir haben es wochenlang besprochen“, knurrte er. Sorge und Erschrecken standen ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
Enya hielt den Kopf erhoben und erwiderte seinen Blick. „Dafür ist es jetzt zu spät. Ich bin in der Lage, beim Kämpfen die Macht des Feuers unter Kontrolle zu halten. Es ist Entarnas Wille, diesen Krieg zu verhindern!“
Als Drago protestieren wollte, schnitt Amariter ihm das Wort ab: „Sie hat Recht. Lass sie mit mir kämpfen. Es wird spaßig werden!“ Sie lächelte und entblößte ihre schiefen grellweißen Zähne. „Ich stimme dem Duell zu, allerdings nur unter folgender Bedingung: Du kämpfst in Menschengestalt und darfst die Macht über dein Element verwenden, während ich mich mithilfe meiner dunklen Zauberkünste verwandeln darf. Auf diese Weise darf jeder seine Zauberspielchen treiben. Bedenke das Angebot gut, denn ansonsten lehne ich das Duell ab.“ Sie klatschte in die Hände, schaute Enya triumphierend an und fragte: „Bist du mit diesen Bedingungen einverstanden?“
Die Hüterin des Feuers starrte Amariter an und überlegte.
Sie würde es niemals schaffen, in Menschengestalt gegen Amariter zu kämpfen und zu siegen. Es war ein ungerechtes Angebot. Und wenn sie verlor, wäre das Schicksal Dragosias in den Händen einer blutrünstigen, wahnsinnigen Zauberin.
Andererseits war Dragos Armee in der Unterzahl. Amariter war in der Lage, mithilfe ihrer dunklen Zauberkünste ständig neue boshafte Krieger zum Leben zu erwecken. Dragos Soldaten würden allesamt auf kurz oder lang sterben.
„Ich stimme ihnen widerstandslos zu“, erwiderte sie fest.
War dies mein Todesurteil?, fragte sie sich sogleich. Doch das machte keinen Unterschied. Entweder, sie starb mit unzähligen verlorenen Leben auf dem Gewissen, oder im Duell mit Amariter.
„Nun denn.“ Die Hexe starrte Drago mit einem boshaften Funkeln in den Augen an.
Mit einem Male schien er gebrochen.
Er sah seine Tochter liebevoll und traurig an. „Ich bin stolz auf dich, Enya.“ Dann trat er resigniert zurück, bis er inmitten seiner Untertanen stand.
Amariter zeigte mit einem ihrer langen, knochigen Finger auf Neró, der noch immer neben Enya stand und sich nicht von der Stelle gerührt hatte: „Begib dich zu deinem elendigen Gesindel. Einen Zweikampf führt man zu zweit aus.“
„Das weiß ich“, blaffte der Hüter des Wassers. Dann betrachtete er stirnrunzelnd Enya. Sie hätte in dieser Situation Zorn erwartet, Besorgnis oder vielleicht Angst. Doch in seinen Augen spiegelte sich plötzlich Vertrauen wieder: „Ich weiß, dass du es schaffen kannst.“ Er stockte, dann sprach er weiter: „Du schaffst alles, wenn du es nur willst.“ Ehe sie es sich versah, nahm er sie in den Arm.
Die Hüterin des Feuers spürte Nerós Atem an ihrem Ohr. „Ich wollte nur sagen, dass ich… nein, das ist nicht der richtige Zeitpunkt.“ Er brach unvermittelt ab. „Denke daran, dass Victoria nicht tot ist. Das ist Amariters Schwachstelle. Nutze sie aus“, murmelte er so leise, dass die Hexe es nicht hören konnte.
Woher weiß er das?, fragte sich Enya verwundert. Er war nicht dabei, als ich es mit Sapiencia besprochen habe!
Ehe sie ihn fragend ansehen konnte, hatte sie bereits verstanden - Sapiencia musste ihn ebenfalls aufgesucht haben - und er sich aus der Umarmung gewunden und sich zu Drago gestellt.
Als sich die Hüterin des Feuers mit pochendem Herzen zu Amariter umdrehen wollte, fiel ihr eine Bewegung ins Auge.
Neró kniete sich mit einem Bein vor ihr hin. Seine leuchtend blauen Augen starrten sie unverwandt an, bevor er den Kopf respektvoll senkte. Drago kam seinem Beispiel nach, und seine Untertanen wiederum ahmten die unterwürfige Geste nach und reckten zeitgleich die Flaggen und Wappen mit dem Zeichen Dragosias dem Himmel empor.
Nach wenigen Sekunden kniete das gesamte Volk Dragosias vor ihren Füßen.
Enya starrte es verwirrt an. Was tun sie da?, fragte sie sich stirnrunzelnd, obwohl sie ganz genau verstand, was sich vor ihren Augen abspielte.
Sie ließ ihren Blick über die Bewohner Dragosias schweifen, und als sie sah, dass niemand auch nur den Kopf um einen Millimeter anhob, musste sie unwillkürlich lächeln.
Sie musste an die Prophezeiung denken. Selbst wenn sie sich heute Nacht erfüllt… Es ist dennoch der schönste Augenblick meines Lebens. Sie genoss den Anblick noch einige Sekunden, weidete sich in dem ungewöhnlichen Anblick, und dann… kniete auch sie sich vor dem Volk Dragosias nieder. Ein überraschtes Raunen ging durch die Menge. Es schien auch vom Feind zu kommen, wie es Enya schien.
Schließlich sagte Amariter gelangweilt: „Nun komm schon. Ich denke, das reicht. Bald wirst du tot sein, dann haben sie genug Zeit, um dich zu betrauern. Sofern ich sie ihnen als überaus unbarmherzige Herrscherin geben werde.“
Als Enya sich endgültig zu ihr umdrehte und ihrer Feindin und ehemaligen Mutter Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, hörte sie das Volk Dragosias hinter ihr murmeln:
„Heil dir, Retterin Dragosias. Du wirst noch Jahrhunderte in unserem Gedächtnis verbleiben, was auch geschehen mag.“ Enya blinzelte, und in dem Bruchteil einer Sekunde griff Amariter sie unerwartet an.