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Warum es immer noch die großen Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen in der Finanzbildung gibt
Was Geld betrifft und das Wissen über Finanzen, klafft eine Lücke zwischen Frauen und Männern, die nicht nur ein weiteres Rollenklischee darstellt, sondern weitreichende ökonomische Konsequenzen nach sich zieht. So entscheiden sich Frauen oft für andere Berufe und investieren seltener in ihre private Altersvorsorge, was im Alter zu größerer Armut von Frauen führt. Eine Studie der Universität Tübingen hat nun schon Unterschiede zwischen Schülerinnen und Schülern festgestellt, was das Interesse an Wirtschaft und Finanzen, das Fachwissen sowie das Selbstbewusstsein von Jungen und Mädchen angeht. Dieses Ungleichgewicht trägt dazu bei, dass Mädchen ihr Potenzial häufig nicht ausschöpfen. Entsprechend empfehlen die Studien-Autor:innen, das Selbstvertrauen und Interesse von Mädchen am Mathematik- und Wirtschaftsunterricht zu stärken.
„Männer richten ihre Berufswahl stärker nach finanziellen Kriterien als Frauen und investieren im Laufe ihres Lebens eher in Aktien und Alterssicherung. Dadurch werden die ohnehin vorhandenen Unterschiede in Einkommen und Vermögen zwischen den Geschlechtern auf lange Sicht verstärkt,“ sagte Professorin Taiga Brahm vom Lehrstuhl für Ökonomische Bildung und Wirtschaftsdidaktik der Universität Tübingen und Leiterin der Studie. „Den Unterschied im erworbenen Finanzwissen können wir bereits in der Schulzeit nachweisen,“ so Brahm.
Die Studie untersucht zum ersten Mal gleichzeitig mehrere Ursachen für geschlechtsspezifische Unterschiede in der Finanzbildung. Dazu wurden 1.958 Schüler:innen der zehnten Klasse aus 92 Gymnasien, Real- und Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg befragt. In diesem Bundesland ist Wirtschaft ein Schulfach. Die Ergebnisse lassen sich aber auch auf andere Bundesländer übertragen.
Medien präsentieren männliche Personen in Zusammenhang mit Wirtschaft
Um ihr Finanzwissen zu testen, sollten Schüler:innen eine Reihe von Fragen beantworten, wie zum Beispiel: „Die Inflationsrate im Vorjahr betrug 2 Prozent. Kann sich Herr Schneider von seinem Januar-Gehalt mehr, weniger oder genauso viel leisten wie zwölf Monate zuvor?“ (richtige Antwort: Herr Schneider kann sich weniger leisten als im Jahr zuvor.). Auch einfache Fragen zu Wahrscheinlichkeitsrechnungen wurden gestellt, um die Mathekenntnisse zu überprüfen: „Eine faire Münze wird 1.000 Mal geworfen – was würdest du schätzen, wie häufig zeigt die Münze ungefähr Kopf?“ (richtige Antwort: 500). Im Schnitt beantworteten die Schüler 8 von 12 Fragen richtig, Schülerinnen dagegen nur 7 von 12. Dies entspricht einem signifikanten Unterschied von knapp 13 Prozent.
Außerdem stellten die Forscher:innen fest, dass sich das Selbstbild und Interesse der Lernenden voneinander unterschied. Der Aussage „Ich interessiere mich für Wirtschaft“ stimmten mehr Jungs als Mädchen zu. Jungen schneiden auch besser in Finanzfragen ab, die Berechnungen erfordern, und schätzen ihre Fähigkeiten selbst höher ein. Das Potenzial der Mädchen in diesem Bereich wird offenbar häufig nicht ausgeschöpft. Fest steht, dass öffentliche Medien, Bilder und Beispiele im Zusammenhang mit wirtschaftlichen und finanziellen Themen immer noch von männlichen Personen dominiert werden. „Unter anderem beeinflusst das Interesse für Wirtschaft und Finanzen den Unterschied maßgeblich“, sagt Lucy Haag von der Universität Tübingen und Erstautorin der Studie.
Finanzbildung sollte weniger Geschlechterstereotype widerspiegeln
Die Autor:innen leiten aus den Ergebnissen ihrer Studie eine Reihe von Empfehlungen ab. „Über geeignete Aufgaben im Wirtschaftsunterricht, die das Interesse der Mädchen wecken, lässt sich die Lücke zwischen Mädchen und Jungen am ehesten verringern“, sagt Dr. Luis Oberrauch von der Rheinland Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau und Co-Autor der Studie. Fallbeispiele im Wirtschaftsunterricht gingen häufig von „Unternehmern“ aus und selten von „Unternehmerinnen“. Auch eine aktuelle Schulbuchanalyse zeigt, dass sich Geschlechterstereotype auch in Schulbüchern widerspiegeln. Die Schule und speziell der Wirtschaftsunterricht sollten demnach in Zukunft dazu beitragen, den sozialen und kulturellen Sozialisationseffekten entgegenzuwirken. Dafür sollte das pädagogische Material angepasst und stereotype Darstellungen vermieden werden. Auch Rollenspiele oder Projektarbeiten, in denen Schülerinnen eine aktive Rolle einnehmen, und damit auch das Beobachten von Gleichaltrigen, die wirtschaftliche Aufgaben erfolgreich lösten, könnten das Selbstbewusstsein von Schülerinnen und ihr Interesse für das Fach Wirtschaft stärken.
„Diese Forschung zeigt einmal mehr die weiterhin existierenden geschlechterstereotypen Vorurteile. Diese beeinflussen messbar die Selbstwahrnehmung von Menschen aufgrund des ihnen zugeschriebenen Geschlechts, sie beeinflussen signifikant ihre Wahrnehmung durch andere, und sie beeinflussen damit auch geschlechtsspezifische Lebenswahlentscheidungen“, sagt Professorin Dr. Dr. h.c. (Dōshisha) Karla Pollmann, Rektorin der Universität Tübingen.
Quelle
Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung