254 Tage mit Jane Doe

Autor: Michael Belanger
übersetzt von Annette von der Weppen

Ray ist das, was man typischerweise als einen Außenseiter bezeichnet: Statt wie die anderen coolen Kids Football zu spielen, beschäftigt er sich lieber mit den Details der Geschichte seiner Heimatstadt Burgerville oder schaut sich alte Horrorfilme an. Am liebsten gemeinsam mit seinem besten Freund Simon, der nicht nur eine Schwäche für Vampirfilme, sondern auch für Vollmilch hat. Zusammen meistern sie den schrecklich-schönen High School Alltag und haben sich mit ihrer Existenz am Rande der Schülerschaft abgefunden. Doch eines Tages taucht Jane auf und verändert alles: Sie ist neu in die Stadt gezogen, sie ist witzig und lässt sich nicht von den Football-Spielern und Cheerleadern beeindrucken. Stattdessen sitzt sie während der Mittagspause bei Simon und Ray, besucht mit ihnen die historischen Orte der Stadt und schaut am Wochenende mit ihnen Horrorfilme. Für Ray und Simon beginnt eine neue Zeitrechnung: Von nun an gehören sie zu einer Clique, aus ihrem Duo ist ein Trio geworden, dass sich beinah täglich sieht, Spaß hat und sich nicht darum schert, was die anderen denken. Und zwischen Ray und Jane entwickelt sich sogar etwas mehr als nur Freundschaft: Die beiden kommen sich näher und Ray kann sein Glück kaum fassen. Doch neben all der Glückseligkeit ist da noch etwas anderes, das Jane begleitet: Eine dunkle, erdrückende Wolke, die Jane immer wieder einzuholen droht. Ein Loch, in das sie jeden Moment fallen könnte, Ereignisse aus ihrer Vergangenheit, die sie nicht loslassen. Mal äußert sich das durch wirre Nachrichten mitten in der Nacht, dann wieder spricht sie tagelang kaum mit Ray, der sich ihre Traurigkeit nicht erklären kann. Und eines Tages verliert Jane ihren Kampf gegen die übermächtigen Gefühle und lässt Ray und Simon traurig, wütend und voller Fragen zurück.

Michael Belanger erzählt die Geschichte von Jane und Ray auf eine wunderbar einfühlsame Art und Weise. Seine Worte sind unglaublich passend gewählt, sie gehen vom Kopf direkt ins Herz, das schwer wird, auch wenn man immer wieder schmunzeln muss. Dem Autor gelingt es dabei unglaublich gut, den Themen Liebe, Freundschaft und dem flüchtigen Glück die angemessene Aufmerksamkeit zu widmen, sie miteinander zu verflechten und daraus eine Erzählung zu machen, die einem das Gefühl gibt, Ray, Jane und Simon auf einer einmaligen Reise zu begleiten. Er schafft es dadurch, das Thema psychische Erkrankungen in den Mittelpunkt zu rücken, ohne dass es gezwungen oder aufdringlich wirkt. Ich bin froh, dass es Bücher wie „254 Tage mit Jane Doe“ gibt, die dieses nicht einfache, aber unglaublich wichtige Thema ansprechen und es so vielen Menschen zugänglich machen und ins Bewusstsein rufen. Betroffenen machen es solche Bücher leichter, sich anderen Menschen anzuvertrauen und sich Hilfe zu holen – zumindest hoffe ich das.

Darüber hinaus ist „254 Tage mit Jane Doe“ ein wirklich schönes Buch, das mir beim Lesen viel Freude gemacht hat, und mich gut unterhalten hat. Es hat mich zum Lächeln gebracht, es hat mich nachdenklich gemacht, aber auch dankbar. Und ich hoffe, dass es vielen anderen Leserinnen und Lesern genau so geht!


*Erschienen bei Carlsen*

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Autorin / Autor: lacrima - Stand: 5. Mai 2020