21st Century Thrill: By the time you read this, I'll be dead

Autorin: Julie Anne Peters

Buchcover

Der Roman “By the time you read this, I’ll be dead!” thematisiert das Leben der 15 Jährigen Daelyn, die bereits zwei Selbstmordversuche hinter sich hat und nun ihren Dritten und - wenn es nach ihr geht - letzten plant.

Daelyn wurde lange Jahre  wegen ihres Übergewichtes auf das Übelste drangsaliert, gemobbt und seelisch zerstört, hat es aber niemals geschafft, sich ihren Eltern zu öffnen, so dass diese den Problemen ihres Kindes absolut hilflos gegenüber stehen.
In Folge ihres letzten Selbstmordversuches muss sie eine Nackenschiene tragen und kann scheinbar nicht sprechen, was ihr einen gewissen Schutz bietet und sie weiter in die Isolation treibt.
Sie hat mit ihrem Leben abgeschlossen und stößt im Internet auf das Forum „Durch das Licht“, dass Menschen allen Alters Zugang gewährt, die ihr Leben beenden wollen. Dort erhält man Ratschläge, muss Fragen beantworten und kann Erfahrungen und Schicksale austauschen, muss aber eine Frist von 23 Tagen mindestens einhalten, bevor man sich umbringen darf.
Daelyn wählt diese Frist, denn für sie stellt sich nicht mehr die Frage "ob", sondern nur noch „wie?“
Aber dann lernt sie Santana kennen, der trotz ihrer Abweisungen fasziniert von ihr ist und nicht locker lässt, bis er nach und nach Teil ihres Lebens wird. Aber kann Santana es schaffen Daelyn vom Selbstmord abzuhalten?

Das Buch beschäftigt sich mit einem ersten, kritischen und nicht zuletzt gefährlichen Thema, vor allem für Jugendliche im empfohlenen Alter (12-15 Jahre).
Es ist nicht das erste Buch, dass sich mit Selbstmord bzw. Selbstmordabsichten auseinandersetzt und wird bestimmt auch nicht das letzte sein, dennoch unterscheidet es sich von den mir bisher bekannten.
Denn es versucht nicht etwa, eine Lösung für Daelyns Probleme zu suchen, zeigt keine Hoffnung oder überraschende Wendungen, die Daelyn dann doch noch ins Leben zurückholen. In jeder Zeile des Buches sickert ihre absolute Erschöpfung und Resignation durch, die sich durch die Isolation durch Stimmverlust noch verschärft. 
Das ist einerseits natürlich wirklich gut, hat aber andererseits auch ein gewisses Gefahrenpotential, da für Daelyn und das Forum Selbstmord eine vollkommen natürliche Schlussfolgerung darstellt, was für labile Personen, die sich mit dem Thema Selbstmord auseinandersetzen nicht unbedingt einen positiven Einfluss haben muss. Das wird natürlich durch die nachfolgenden Informationsseiten und Hilfestellen entschärft, die wirklich sehr gut gemacht wurden.

Man lernt Daelyn als ein intelligentes, etwas zynisches Mädchen kennen, die dies aber für alle verborgen hält. Trotz ihrer Hoffnungslosigkeit und allen Problemen, wenn nicht sogar genau deshalb, wird sie einem sehr sympathisch. Der Charakter wirkt lebensnah und realistisch, sodass man ihre Handlungen und Gedanken nachvollziehen kann. 
Sie ist sehr komplex und schwierig und man braucht eine Zeit um herauszufinden, worin ihre Probleme liegen und was geschehen ist, dass sie derart verzweifelt ist.
Aber alles, was geschieht und berichtet wird, baut logisch aufeinander auf und so können Daelyns Selbstmordpläne fast als notwendige Konsequenz betrachtet werden.

Was ich ebenfalls einen interessanten Aspekt finde ist, dass der Grund für das Mobbing und Daelyns geringes Selbstwertgefühl längst nicht mehr der Dreh und Angelpunkt ihrer Handlungen oder der Grund für ihre Selbstmordversuche waren. Die Mobbingattacken haben Daelyn seelisch so zerstört, dass das, was immer ihr Problem war, längst an Bedeutung verloren hat.
Das ist es, was das Buch besonders macht. Es wird nicht versucht das Thema abzuschwächen, zu verweichlichen oder zu verharmlosen. Die Autorin weiß, wovon sie schreibt, sie weiß, dass sich alle Probleme, alle Verletzungen und alle Demütigungen nicht von heute auf morgen auflösen, nur weil jemand einen nett anlächelt. Es zeigt die Thematik des Mobbizid in seiner vollen Größe und Problematik, ohne irgendetwas zu beschönigen.

Es erscheint aber auch ein Buch, das die ganz große Liebe wieder etwas näher rückt. Denn was Santana für Daelyn tut, erscheint nicht selbstverständlich. Einem Mädchen, das einen immer wieder abweist, nicht spricht und jegliche Nettigkeiten barsch zurückschickt und nicht erwidert, würde nicht jeder Junge so hartnäckig versuchen, ihr den Tag zu verschönen und ihr Mut zu machen.
Auch die Hilflosigkeit von Daelyns Eltern wird gut dargestellt, lediglich das Daelyn die Liebe ihrer Eltern und die Fürsorge so wenig anerkennt erscheint etwas schade, ist aber ebenfalls logisch nachvollziehbar.

Es ist ein Buch, das mich persönlich wieder an den Grundfesten unserer Gesellschaft und den moralischen Werten, die vorherrschen, zweifeln lassen. Die Situation, die Peters beschreibt, mag auf den ersten Blick vielleicht stark überzogen sein, ist beim näheren Betrachten aber vermutlich gar nicht so selten. Übergewicht, daraus folgende Mobbingattacken, die schlimmer nicht sein könnten, Diätcamps, die einem das letzte Selbstwertgefühl rauben und absolut keine Freunde, die einen unterstützen.
Ist es wirklich ein Phänomen, das es in unserer Umgebung nicht gibt?
Lediglich das Ende finde ich minimal enttäuschend, was aber Geschmackssache ist und was das Buch nicht weniger lesenswert macht.
Der Schreibstil ist flüssig und ansprechend. Die gedanklichen Kommentare von Daelyn sind immer wieder erheiternd und lockern das sehr ernste Buch in gewisser Weise auf.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass der Roman eine ganz spezielle Art hat, an das Thema heranzugehen. Es schafft es, den Leser einerseits zu fesseln und andererseits die Ernsthaftigkeit und Problematik von Mobbizid nicht aus dem Fokus zu verlieren.
Es ist ein Buch, das unbedingt gelesen werden sollte, damit man niemals vergisst, was Mobbing einem Menschen antun kann.


*Erschienen bei Kosmos*

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Autorin / Autor: LadyJanna - Stand: 17. Januar 2012