Willst du Blumen, kauf dir welche - (K)ein Romantik-Roman

Autorin: Ellen Berg

Kann Online-Dating dieselben Funktionen wie ein Kennenlernen im Reallife erfüllen oder sogar übertreffen? Kann bei im Internet angebahnten Treffen Romantik aufkommen? Und ist Romantik überhaupt eine wünschenswerte Grundlage für eine entstehende Beziehung? Diesen Fragen widmet sich der Romatikroman „Willst du Blumen, kauf dir welche“.

Der Roman ist interessanterweise explizit in einer Post-Corona-Zeit angesiedelt, in der keinerlei Kontaktbeschränkungen mehr herrschen. So kann die frischgebackene Buchhändlerin Lena in ihrem Laden eine Lesung mit dem Bestsellerautor Benjamin Floros veranstalten, der behauptet, die wahre Liebesformel entdeckt zu haben. Sprich: Mit dem Kauf seines Buches und der Verwendung seines Algorithmus‘ kann man sicher sein, den oder die perfekte Partner⚹in kennenzulernen! Das Ganze läuft allerdings über Online-Dating und klammert Romantik und das Schicksal weitestgehend aus, was der sehr Liebesroman-geprägten Lena ordentlich gegen den Strich geht. Trotzdem lässt sie sich nach der Lesung und einigen Gläsern Wein und Sherry von Benjamin Floros zu einer Wette überreden: Er verspricht, den perfekten Mann für Lena zu finden, wenn sie sich auf seine Dating-Methoden einlässt.

Die manchmal übertrieben plakativ dargestellten Charaktere der Geschichte werden ausgeglichen durch einen sehr unterhaltsamen und gut lesbaren Erzählstil. Erfrischend ist auch, dass sich das Buch nicht nur um Liebe zwischen 30-jährigen Singles dreht, sondern auch um Liebe im Alter und um die Herausforderungen von Dating für alleinerziehende Eltern, sowohl aus männlicher als auch aus weiblicher Perspektive. Und für Leseratten wie mich ist es eine wahre Freude, wie die Liebe zur Literatur von den Charakteren zelebriert wird.

Wer den Klappentext des Romans gelesen hat, wird sich nicht wundern, dass der Fokus des Buchs auf heterosexueller Liebe liegt. So weit, so unproblematisch. Aber. Bei der Menge an Theorie über Liebe und Beziehungen, die im Buch dargelegt wird, hätte man vielleicht doch erwartet, zumindest die Möglichkeit einer gleichgeschlechtlichen Beziehung erwähnt zu lesen. Jedoch Fehlanzeige. Stattdessen sind die DREI Paare, die im Laufe der Geschichte entstehen, allesamt heterosexuell. Und, viel schlimmer: Die einzige nennenswerte Erwähnung von Homosexualität besteht in einem Mann, der massiv unempathisch ist und eine Alibi-Frau zum Heiraten und Kinderkriegen sucht, weil seine Mutter das so möchte. Im Jahr 2020. Nochmal in aller Deutlichkeit: Die Darstellung gleichgeschlechtlicher Liebe in diesem Buch ist von vorne bis hinten skandalös. Und das ist schade. Denn Ellen Berg schreibt so schön und lustig, dass ich mit großer Freude ein Buch von ihr lesen würde, das tatsächlich wie auf dem Klappentext angegeben „die Liebe in all ihren Spielarten“ beschreibt.


*Erschienen bei atb*

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Autorin / Autor: Claire - Stand: 11. November 2020