Wertschätzende Diskussionen

Politische Streitgespräche, die sich auf einen Konsens konzentrieren, empfinden Schüler_innen angenehmer und weniger spaltend

Widerspruch aushalten, seinen eigenen Standpunkt vertreten, andere wortgewaltig von seiner Meinung überzeugen. "Richtig" zu diskutieren wird heute schon im Schulalltag eingeübt, und meist geht es dabei um rhetorische Geschicklichkeit. Doch wie fühlen sich jene, die "unter den Tisch" geredet wurden, und was macht es mit einer Gruppe, wenn die ausgetauschten Ansichten in einem Schlagabtausch zu einer unüberwindbaren Barriere zwischen den Diskutant_innen führen? Mittels einer anderen Diskussionsmethode, die mehr auf Konsens statt Disput setzt, könnten ganz andere Ergebnisse entstehen, so eine neue Studie der North Carolina State University.

*Auf höfliche Weise diskutieren*
Für die Studie befragten und beobachteten die Forscher_innen 165 Highschool-Schüler_innen, die im Rahmen eines staatsbürgerlichen Bildungsprogramms an politischen Diskussionen teilnahmen. Das Programm bringt rund 20.000 Mittel- und Oberstufenschüler_innen von Schulen aus dem ganzen Land nach Washington D.C., um eine Woche lang Einblick in die Bundesregierung zu erhalten. Für die politischen Diskussionen im Rahmen des Programms wurden die Schüler_innen mit Hintergrundmaterial zu bestimmten Themen versorgt und dazu ermutigt, auf höfliche Art und Weise über Themen wie die Reform der Strafjustiz, den Klimawandel, die Waffengesetzgebung, die Gesundheitsversorgung und die Einwanderung zu diskutieren. Bei den Beratungen lasen die Schüler_innen zunächst Texte über verschiedene politische Vorschläge. Anschließend diskutierten sie die Vorschläge in kleinen Gruppen, um einen Konsens über eine von allen befürwortete Politik zu finden, und präsentierten ihre Ergebnisse vor der größeren Gruppe. Bei Debatten bildeten die Schüler zwei gegnerische Teams und bereiteten überzeugende Argumente vor, mit denen sie versuchten, ein Gremium von Gleichaltrigen zu überzeugen.

*Respektiert*
Anschließend wurden die Schüler_innen danach befragt, wie sie sich bei den Diskussionen gefühlt hatten. Neunzig Prozent antworteten, dass sie sich in den auf Konsens ausgerichteten Beratungen (der Fachbegriff hierzu ist Deliberation) respektiert gefühlt hatten, und 91 Prozent sagten, sie hätten sich auch bei ihren eigenen Kommentaren wohlgefühlt. Im Vergleich dazu gaben nur 76 Prozent, die an einer "normalen" Debatte teilgenommen hatten, sich respektiert gefühlt zu haben, und 70 Prozent fühlten sich mit ihren Kommentaren wohl.

*Gemeinschaftlich*
"Wir glauben, dass sich die Schüler_innen aufgrund der Art der Diskussion wohler fühlten, weil es sich um eine gemeinschaftliche und nicht um eine gegnerische Diskussion handelte", sagte Paula McAvoy, eine der Studienleiterinnen. "Die Debatte war eine Herausforderung, weil jeder aufstehen und einen 30-Sekunden-Kommentar abgeben musste. Das hat viele Schüler nervös gemacht." Interessant war auch, dass junge Frauen signifikant häufiger berichteten, dass sie während einer der beiden Diskussionsarten etwas Beleidigendes gehört hatten, dass sie zögerlicher waren, sich zu äußern, und dass sie sich mit den von ihnen gemachten Kommentaren weniger wohl fühlten.
Die Schüler_innen, die an der Umfrage teilnahmen, waren zu 79 Prozent weiß, zu 24 Prozent lateinamerikanisch, zu 5 Prozent schwarz und zu 2 Prozent asiatisch, wobei einige mehr als eine Kategorie auswählten.Die Stichprobe war politisch breit gefächert, mit einer ungefähr gleichmäßigen Verteilung von konservativen, liberalen, gemäßigten oder nicht festgelegten Einstellungen.

*Spaltung verringern*
"In den Debatten sprechen die Schüler_innen meist mit anderen, die mit ihnen übereinstimmen, und finden heraus, warum das andere Team im Unrecht ist", sagte Paula McAvoy. "Viele Lehrer_innen nutzen Debatten, um kritisches Denken zu fördern, aber es könnte sein, dass die Schüler_innen dadurch noch gespaltener werden."
Vielleicht sollten Sozialkundelehrer_innen tatsächlich überlegen, welche Form von Diskussionstrainings sie in einer einer Zeit anbieten, in der die politische Kultur - nicht nur in den USA - sich immer stärker polarisiert. Frühere Studien zeigten, dass Schüler_innen immer häufiger mit parteipolitischer Feindseligkeit und Ängsten im Zusammenhang mit Politik in die Schulen kommen, was dazu führt, dass Lehrer_innen immer öfter zögern, Politik in den Unterricht einzubringen. "Wir stellen fest, dass die Schüler_innen mit einer angemessenen Struktur und Gestaltung in der Lage sind, schülerzentrierte, zivile und informierte Diskussionen über hochkontroverse Themen zu führen", so Paula McAvoy. "Obwohl es im Raum viele politische Meinungsverschiedenheiten gab, waren sie in der Lage, über ihre Differenzen hinweg zu sprechen".

Um zu sehen, ob ihre Schlussfolgerungen zutreffen, wollen die Forschenden die Studie mit einer größeren Stichprobe wiederholen. Außerdem wollen sie herausfinden, ob sich die Beratungen und Debatten bei Gruppen mit unterschiedlichen Überzeugungen, Ethnien und anderen demografischen Faktoren unterscheiden.

Die Studie wurde am 14. Juli 2021 online im Peabody Journal of Education veröffentlicht.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung