Wenn die Dunkelheit endet

Autorin: Constance Sayers
Aus dem Amerikanischen von Charlotte Lungstrass-Kapfer

Frisch geschieden und ihrer Liebe hinterher trauernd wird die Chefredakteurin einer Life-Style Zeitschrift, Helen Lambert, in eine Reise gestürzt, die ihr aufzeigt, dass sie diese Situation bereits durchlebt hat, und dass ihr Leben eine tragische Endlosschleife ist. Nach einem ersten Date mit dem mysteriösen Luke Varner, der darauf besteht, sie zu kennen und seltsamen Träumen, in denen Helen in das Leben einer Juliet LaCompte eintaucht, dauert es nicht lange, bis sie sich gezwungen sieht, an Übernatürliches zu glauben.
Helen wird klar, dass sie mit drei anderen Frauen verbunden ist:
Juliet LaCompte – eine junge Bauerntochter, sich voll jugendlicher Liebe und Leidenschaft in eine Affäre mit dem verheirateten Maler Marchant stürzend.
Nora Wheeler – eine Schauspielerin im aufkommenden Hollywood der 30er Jahre, verliebt, verheiratet, verwitwet.
Sandra Keane – eine Musikerin in den 70er Jahren, unglücklich verliebt in den verheirateten Rick.
Doch Antworten darauf, was diese Verbindungen ausmacht, findet sie nur mit der Zeit. Überfordert lässt sie sich zunächst mitziehen, doch versteht bald, dass sie ihr Schicksal besser selbst in die Hände nehmen sollte um der Dunkelheit, die an ihr haftet, ein Ende zu bereiten…

Wenn die Dunkelheit endet... Diesen Satz nach dem Lesen vervollständigen zu können bedeutet für mich, dass das Buch sich in einem gelungenen Kreis schließt. Der Titel ist sehr gut gewählt, vor allem im Vergleich zum Originaltitel A Witch in Time, welcher mir viel zu vorgreifend erscheint. Auch das Cover verleiht dem Roman einen gelungenen romantischen, geheimnisvollen Touch, mag es auch ein wenig nichtssagend wirken.
Öffnet man nun das Buch, taucht man ein in das Leben einer und zugleich vierer Protagonistinnen. Die Idee, vier verschiedene Leben nach ein und dem gleichen Drehbuch zu schreiben, finde ich grandios und ist mir bisher noch nicht untergekommen. Durch die verschiedenen Ausprägungen der Protagonistin und die unterschiedlichen Epochen finde ich die Handlung – entgegen meiner ursprünglichen Erwartung – alles andere als öde. Trotz des bekannten Handlungsverlaufes für jedes neue Leben, birgt jedes der Leben kleine Überraschungen, die die Spannung aufrechterhalten und die 544 Seiten halb so lang erscheinen lassen.
Hier setzt allerdings mein erster Kritikpunkt an: Dadurch, dass Juliet in jedem ihrer Leben eine andere Persönlichkeit und ein anderes Leben eingehaucht bekommt, wird sie jedes Mal zu einer eigenständiger Protagonistin mit einer solch kraftvollen Geschichte, dass ich es schade finde, mir diese Geschichten in wenige Kapitel gepresst aneignen zu müssen. „Gepresst“ auch daher, weil die Handlung so gekürzt und auf die Abläufe reduziert wiedergegeben wird, dass ich mir beim Lesen oft gewünscht habe, dass ein Absatz von sieben Zeilen vielmehr eine Seite lang und dafür mit mehr Details und Emotionen versehen wäre. Diese haben mir allgemein oft gefehlt, vor allem da der Charakter der Geschichte eher tragisch ist, dies aber vor allem bei Sandra und Helen nicht gut genug vermittelt wird. Ich hätte es gut gefunden, wenn aus dem Buch eine Trilogie geworden wäre.

Die Handlungsabläufe sind meist klar und strukturiert, wobei sie auf mich bei Helen künstlich wirken. Oft ist hier die Handlung zu voraussehbar, die nächsten Hürden in ihren Plänen sind zu leicht erklimmbar. Teilweise wirkt es auf mich so, als ob die Autorin unter Zeitdruck geriet und die Handlung schnell zu Ende führen wollte.
Verstärkt wird dies vor allem durch den schlichten, ungekünstelten Schreibstil, der Helen in Kombination mit der Perspektive als Ich-Erzählerin sehr jung und kindlich erscheinen lässt. Auf mich wirkt sie eher wie eine Fünfzehnjährige als eine Dreiunddreißigjährige. Bei den anderen drei Charakteren hingegen empfinde ich dem Schreibstil – hier in Kombination mit einem personalen, teils auktorialen Erzähler – als sehr passend, da dadurch die verschiedenen Persönlichkeiten deutlicher heraustreten. Alles in allem finde ich den Schreibstil jedoch sehr angenehm zu lesen. Highlights waren für mich kleinere ironische Anspielungen, wie zum Beispiel die Kirchenbank im Haus des Dämons und der Hexe.

Am besten gefallen hat mir Juliets Geschichte. Zum einen liegt das daran, dass man hier die meiste Zeit bekommt, um sich mit der Protagonistin vertraut zu machen, zum anderen finde ich, dass sie die interessanteste Protagonistin ist. Als Jugendliche hat sie, in einer gesellschaftlich völlig anderen Welt als der unseren, mit den Problemen einer Erwachsenen zu kämpfen. Auch die historischen Aspekte und die Beschreibung von Paris finde ich sehr schön und bildlich eingebracht.
Sowohl bei Nora als auch bei Sandra hatte ich jedoch das Gefühl, dass die Autorin die Handlung auf die wenigen Seiten quetschen musste, weswegen ich das Lesen hier eher als eine Informationsaneignug empfand.
Für Helen konnte ich überhaupt keine Sympathien aufbringen. Zum einen fand ich ihre Persönlichkeit nicht ansprechend – wodurch ich mich nicht mit ihr identifizieren konnte – zum anderen waren ihre Handlungsschritte nicht immer ganz klar oder zu schnell für meinen Geschmack.

Ein paar Logikfehler, die sich eingeschlichen haben, verstärken außerdem das Gefühl, dass das Buch schnell geschrieben wurde, was ich schade finde. Beispielweise vergleicht Sandra zwei Fingerabrücke kurz mit dem bloßen Auge und stellt dann fest, dass sie identisch wären (S. 478). Oder nennt ein Mädchen (Aurora) bei ihrem Namen, bevor dem Leser mitgeteilt wird (eine Seite später) dass sie ihren Namen erfahren hat (S. 489).
Das Ende hat mich positiv überrascht und ist meiner Meinung nach gelungen. Enttäuscht war ich dann allerdings vom Epilog, der in meinen Augen der Dramatik, die den gesamten Roman durchzieht, den Wind aus den Flügeln nimmt.
Alles in allem kann ich diesen Roman empfehlen. Wer Romantik, Tragik und Fantasy gerne mag, wird nicht enttäuscht. Dieses Buch ist wunderbar, um für ein paar Abende in eine andere Welt einzutauchen und ein angenehmes Leseerlebnis zu genießen. Ein gelungener Fantasy-Roman mit einem historischen Touch!


*Erschienen bei Heyne*

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Autorin / Autor: Kadidja Filiz Saruhanoglu - Stand: 27. Juli 2020