Velvet Falls, but the Gods forgot to die

Autorinnen: Julia Dippel und Carmen Di Mauro

Nachdem mich „Cassardim“ und „Die Sonnenfeuer Ballade“ schon von Julia Dippels Stil überzeugt hatten, war „Velvet Falls, but the Gods forgot to die“ natürlich Pflichtprogramm für mich. Und was soll ich sagen – es ist anders. Wild anders. Aber auf die beste Art.
Schon die ersten Kapitel haben mich ordentlich durchgeschüttelt. Ich wusste nicht so ganz, was ich erwarten sollte, aber Urban Fantasy mit Göttern, die in Designeranzügen auf Yachten über den Himmel schippern und Selfies mit Dämonen posten? Das war neu. Dippel wirft einen mitten in eine Welt, die gleichzeitig nach Hochglanz und Untergang riecht – New Orleans, Göttermetropole, dämonische Seitenstraßen, fliegende Autos, Pizzalieferanten mit Hoverboards. Es ist alles so überdreht, dass man sich am Anfang fragt: „Meint sie das ernst?“ Ja, tut sie. Und es funktioniert.

Velvet selbst ist eine Hauptfigur, die man entweder sofort liebt oder erstmal nicht so ganz einordnen kann. Sie ist laut, blutig, müde, wütend – und dabei unfassbar lebendig. Keine typische Badass Protagonistin mit großer Klappe, sondern eher eine Antiheldin, die gerne flucht und deren Lieblingsmahlzeit aus Pizza und Zynismus besteht. Trotzdem spürt man zwischen all dem Sarkasmus die ganze Zeit, dass da noch mehr ist – eine Verletzlichkeit, die sie nie so ganz zulässt.

Ich hab denselben Fehler gemacht wie immer: „Nur ein Kapitel vor dem Schlafengehen.“ Tja, drei Stunden später war ich auf Seite 340. Das Buch hat so einen unfassbaren Sog, dass man gar nicht merkt, wie die Nacht vergeht.
Das Worldbuilding ist typisch Dippel – detailreich, aber nie überladen. Ja, Götterwelten und Apokalypsen sind nichts Neues, aber die Art, wie sie hier Kapitalismus, Dekadenz und Götterkult miteinander verwebt, ist richtig clever. Es ist ein Chaos aus Neonlicht, Blut und göttlicher Ironie, aber eben dieses Chaos fühlt sich perfekt orchestriert an.

Kashmere ist auch ein eigenes Thema. Der Second Chance Trope ist immer riskant, und anfangs war ich skeptisch. Aber was Julia Dippel daraus macht, ist tatsächlich ziemlich stark. Die Dynamik zwischen den beiden ist intensiv, manchmal schmerzhaft, aber immer glaubwürdig. Dazu kommt ihr typischer Humor – bissig, pointiert, manchmal so absurd, dass man laut lachen muss.

Und dann das Ende. Was für ein Plot Twist. Ich hab ehrlich keinen der Wendepunkte kommen sehen – und das, obwohl ich eigentlich dachte, ich hätte das Erzählmuster der Autorin mittlerweile durchschaut. Die letzten Kapitel waren ein einziger emotionaler Schleudergang, und ich saß danach einfach da, mit offenem Mund und einem ziemlich großen „Was zum…?!“-Gefühl.

Jetzt will ich sofort weiterlesen – aber gleichzeitig auch direkt wieder von vorne anfangen, um all die kleinen Andeutungen zu finden, die ich beim ersten Lesen übersehen habe.

„Velvet Falls, but the Gods forgot to die“ ist laut, düster, sexy, sarkastisch und emotionaler, als man auf den ersten Blick denkt. Große Empfehlung für alle, die keine Angst vor Göttern, Blut und einem Hauch Wahnsinn haben.


Erschienen bei Loomlight

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Autorin / Autor: Miriam W. - Stand: 27. Oktober 2025