trans*
Autor:innen: Beate Lakotta, Walter Schels
Dieses Sachbuch ist eine Mischung aus autobiografischen Texten und professionellen Porträtaufnahmen in Schwarz-Weiß. 21 Jugendliche und junge Erwachsene kommen zu Wort und berichten von ihren ganz persönlichen Erfahrungen mit ihrer Transidentität. Mal sind das mehrseitige Berichte, mal Gedankenschnipsel von wenigen Zeilen, die collagenhaft in mehreren Kapiteln arrangiert sind, welche von „Wie man es merkt“ bis „Ankommen“ jeweils unterschiedliche Aspekte jugendlicher Identitätsfindung und Alltagsherausforderungen in den Fokus nehmen.
Das Besondere an dem Buch ist, dass seine Entstehung schon 2013 begann. Einige der porträtierten Menschen wurden über viele Jahre hinweg immer wieder interviewt, sodass nun eine ganze Reise von Persönlichkeitsformung und Meinungsbildung in die Texte einfließen konnte. Auch körperliche Wandlung – die Reifung der Gesichter – wird in kleinen Porträtserien respektvoll und einfühlsam dargestellt. Sowohl Transfrauen als auch Transmänner sind Teil des Buches. Es kommen darüber hinaus auch einige Personen zu Wort, die nach einer Weile mit Transidentität den Weg zu
ihrem ursprünglichen biologischen Geschlecht wieder zurückgegangen sind. Das fand ich besonders interessant, denn in einem Themenfeld, das oft mit Argwohn beäugt wird, macht so eine Entscheidung erst recht verletzlich und kommt selten in der Öffentlichkeit zur Sprache.
Wegen der Vielzahl der Personen, deren Stimmen sich abwechseln und an verschiedenen Stellen im Buch auftauchen, und wegen der Zeitsprünge kann man schon einmal durcheinanderkommen: Wer war nochmal Elisa, wer Felix und wer Lara? Welches Foto gehört zu Tom, welches zu Maxine? Um sich ein Gesamtbild einer einzelnen dargestellten Person zu machen, muss man vor- und zurückblättern. Diese Art der Orientierung ist aber nicht so wichtig für das Verständnis, da die biografischen Schnipsel ja thematisch sortierten Kapiteln zugeordnet sind.
Das Buch will weniger einzelne Menschen herausstellen, als vielmehr zeigen, wie unterschiedlich der Lebensweg als Trans-Person sein kann. Es gibt Einblicke in diverse, teils gegensätzliche Gefühls- und Gedankenwelten. Dadurch findet man viele Denkanstöße, um sich mit der eigenen Identität auseinanderzusetzen, falls man selbst suchend ist. Auch wenn man, ohne selbst betroffen zu sein, erst einmal erfahren möchte, was „trans“ eigentlich bedeutet, bietet das Buch einen guten Einstieg. Menschen schildern ihre Erfahrungen in Alltagssprache. Man wird nicht die ganze Zeit mit Fach- oder Szenewörtern überschüttet, und zum Verstehen mancher Begriffe gibt es am Ende ein kleines Glossar. Ein Ratgeber möchte das Buch nicht sein und spart Stimmen von Wissenschaftlern, Ärzten u.ä. bewusst aus.
Das Werk möchte vor allem zeigen, dass Trans-Menschen keine abstrakten bunten Wesen, sondern ganz normale Leute sind, die oft „wie du und ich“ aussehen. Man nimmt wahr, dass es hier um reale Menschen geht. Die Geschichten sind sehr nahbar, das ist gut gelungen.
Was die Ausstattung des Buchs betrifft, hat man sich für ein handliches Format von ca. 17x21 cm entschieden, das dank der elastischen Broschur bequem in der Hand liegt. Der klassische Stil der Porträts in schwarz-weiß vor tiefschwarzem Hintergrund wird mit teils farbigen Seiten und Überschriften aufgebrochen, die – passend zum Thema in Schattierungen von Hellblau und Rosa – dem Werk einen frischen modernen Stil verleihen.
Dieses Buch kann seinen Platz sowohl im Regal einer queeren Büchersammlung finden, als auch eine Bibliothek der Porträtfotografie bereichern. Durch seinen sehr persönlichen und dabei niedrigschwelligen Einstieg ins Thema Geschlechtsidentität ist es sowohl für Menschen, die sich damit auskennen, als auch für Neulinge eine gute Wahl.
Erschienen bei: Gabriel
Autorin / Autor: Christina Weigel - Stand: 13. August 20225