Tomorrow Land
Autor*in: Peer Martin, Antonia Michaelis
Hannes lebt im Deutschland des Jahres 2085. Die Dinge haben sich so entwickelt, wie man es von unserer Gegenwart ableiten könnte: Das Klima hat sich weiter aufgeheizt, was den Anbau von Lebensmitteln in weiten Teilen Deutschlands unmöglich macht und außerdem zu lebensfeindlichen Bedingungen für die Menschen führt. Naturkatastrophen wie Dürren oder Unwetter gehören zum Alltag und machen das Überleben für die Schwächsten der Gesellschaft immer schwerer. Das Land ist gespalten in Eliten, die in klimatisierten Prachtbauten über ihre automatisch bewässerten Gärten schauen, und eine von Armut dominierte Unterschicht, die kaum Zugang zu frischen Lebensmitteln oder gar Luxusgütern hat, und dicht gedrängt in unwürdigen Zuständen in Ghettos lebt.
Hannes ist wegen kleinerer Vergehen Häftling in einer Strafanstalt. Doch als bei einem Sturm ein Mast auf die Mauern des Gefängnisses fällt, gelingt ihm die Flucht. Zu seiner eigenen Überraschung überlebt er das Unwetter und steht nun vor einer ganz neuen Herausforderung: Wie kann er sich als flüchtiger Häftling durch eine Gesellschaft bewegen, in der Gesichtserkennungssoftware allgegenwärtig ist, und er sich für jede Transaktion mit dem Chip in seinem Unterarm ausweisen muss? Zum Glück trifft er kurze Zeit später auf Moa, einen Flüchtling mit dunkler Hautfarbe, der sich im Untergrund bewegt und Hannes den einen oder anderen Trick zeigen kann. Zunächst findet Hannes den Gedanken abstoßend, sich als Deutscher mit Moa abzugeben, doch schnell begreift er, dass die beiden nun im selben Boot sitzen und voneinander profitieren können. So beginnt eine Reise in eine hoffentlich bessere Welt, auf der unzählige Gefahren und Rückschläge lauern, auf der Hannes und Moa aber auch immer wieder auf Personen treffen, die sich ebenfalls außerhalb des Systems bewegen, die ihnen entweder Hilfe anbieten, oder denen sie selbst helfen können.
Ich durfte sowohl von Antonia Michaelis als auch von Peer Martin bereits in der Vergangenheit Romane lesen, die mich sehr berührt haben. Antonia Michaelis‘ Roman „Nashville oder Das Wolfsspiel“ ist geprägt von Spannung und einer vielschichtigen Erzählung, während „Hope“ von Peer Martin eine Vielzahl von hochaktuellen Themen miteinander verwebt und über persönliche Schicksale greifbar macht. All diese Komponenten kommen in „Tomorrow Land“ zusammen: Eine ganz besondere Liebesgeschichte, Schicksalsschläge, Hoffnung und Angst, systemische Unterdrückung und politische Unfreiheit, und noch viel mehr. „Tomorrow Land“ ist gleichermaßen spannend und trotzdem um Aufklärung bemüht, so wie ich das von Peer Martin gewohnt bin. Als Leserin hatte ich nicht nur das Gefühl, unterhalten zu werden, sondern gleichermaßen einen anderen Blickwinkel auf die Dinge zu lernen. Meine Welt nicht nur so zu sehen wie sie ist, sondern auch so, wie sie werden könnten – positiv wie negativ. Dystopien sind zwar ein breit vertretenes Motiv, doch ich finde kaum einem Autor oder einer Autorin gelingt es wie Peer Martin und Antonia Michaelis, diese Erzählung einer Dystopie gleichermaßen stimmig zu gestalten, und perfekt mit einer fesselnden Handlung zu verweben, die immer wieder durch neue Charaktere und Perspektiven bereichert wird.
An der einen oder anderen Stelle hat mir der Plot etwas zu flach gewirkt, etwas zu einfach, doch das wurde im Laufe der Geschichte wieder ausgeglichen. Außerdem sollte man im Hinterkopf behalten, dass die Zielgruppe dieses Roman Jugendliche sind, daher ist die Detailtiefe absolut angemessen und erfüllt meine Erwartungen für dieses Genre.
Insgesamt wieder ein sehr gelungener Roman von Antonia Michaelis und Peer Martin, der zum Nachdenken anregt und den ich gerne weiterempfehle“
Erschienen bei Oetinger
Autorin / Autor: lacrima - Stand: 29. September 2025