Soldaten im Unterricht?

Bundesjugendring und terre des hommes kritisieren Werbung für den Militärdienst an Schulen

Am Ende der Schulzeit steht für die meisten der Anfang des Berufslebens. Damit sind wichtige und teilweise schwere Entscheidungen verbunden: Will ich studieren? Eine Ausbildung machen? Oder erst mal eine Weile ins Ausland?
Wichtig ist eine breit gefächerte Informationsgrundlage, denn natürlich versuchen sowohl Hochschulen als auch Unternehmen, mit gezielter Werbung Nachwuchs anzulocken. Es ist nicht zuletzt Aufgabe der Schule, SchülerInnen diese Grundlage für eine freie, unbeeinflusste Entscheidung zu bieten. Das geschieht beispielsweise durch Informationsveranstaltungen, wo Vertreter von Unternehmen und Hochschulen gleichwertig vertreten sind.

Der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) zeigt sich nun besorgt über zunehmenden Einfluss von ganz anderer Seite: der Bundeswehr. Denn die bemüht sich seit einigen Jahren - vor allem seit dem Wegfall der Wehrpflicht - verstärkt um SchülerInnen. Man will die Nachwuchsprobleme endlich in den Griff bekommen, indem man sich frühzeitig als potentieller Arbeitgeber und Studienort ins Gespräch bringt.

Durch "Kooperationsabkommen" mit einigen Bundesländern, können Jugendoffiziere direkt im Klassenzimmer ungehindert "Werbung" für den Militärdienst machen. Im "Jahresbericht der Jugendoffiziere der Bundeswehr" von 2009 wird deutlich, wie wertvoll diese Tatsache für das Öffentlichkeitsbild der Bundeswehr ist: "Jugendoffiziere sind wichtige Träger der Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr, vor allem im schulischen Bereich [...] leisten sie dort einen wesentlichen Beitrag zur politischen Bildung". In dem Bericht wird aber nicht nur der Einflussnahme auf SchülerInnen große Bedeutung beigemessen: "Insbesondere in der Zusammenarbeit mit den Lehrerseminaren und den mittleren Schulaufsichtsbehörden [...]", sieht man großes Potenzial. Auch "[...] gemeinsame Projekte in der Referendarausbildung" werden als nützlich angesehen. Grundsätzlich wird die Arbeit in den Schulen positiv bewertet: "Die Jugendoffiziere berichten auch in diesem Jahr nahezu übereinstimmend von der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den zuständigen Schulbehörden und Ministerien. [...] Die Jugendoffiziere werden zunehmend als Vortragende im Rahmen der Abiturvorbereitung in der Jahrgangsstufe 12 tätig."

Gerade hier sieht der DBJR eine zunehmende Gefahr. Wenn auf schulischen Veranstaltungen für den Militärdienst geworben wird, nehme die Bundeswehr Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung von Unterricht, so der DBJR. Er weist in diesem Zusammenhang auf den „Beutelsbacher Konsens“ hin, eine Festlegung von Grundprinzipien der politischen Bildung an Schulen: es geht dabei um die Möglichkeit einer freien Meinungsbildung für die Schüler - eben ohne einseitige Beeinflussung. Denn der Dienst bei der Bundeswehr unterscheidet sich deutlich vom Dienst bei jeder anderen staatlichen Stelle. Die Bundeswehr ist auch kein Arbeitgeber wie jeder andere. Ein Dienst bei der Bundeswehr setzt letzten Endes die Bereitschaft, militärische Mittel zu akzeptieren, voraus. Darüber hinaus ist der Dienst in der Bundeswehr mit besonderen Gefahren verbunden. Wer sich dennoch für einen solchen Dienst entscheidet, sollte dies unbeeinflusst tun. Der DBJR fordert deswegen, eine umfassendere Information, vor allem auch über Gefahren von Auslandseinsätzen, die verfassungsmäßige Funktion der Bundeswehr und verschiedene Konzepte der internationalen Friedenspolitik. Waffenschauen und ähnliche Veranstaltungen der Bundeswehr hätten außerdem auf dem Schulgelände nichts verloren. Auch in Exkursionen zu Bundeswehrstandorten, sieht der DBJR kein geeignetes Mittel zur politischen Bildung.

Die Kinderrechtsorganisation terre des hommes hat auf ihrer Internetseite, "Leitlinien für den Besuch von Bundeswehrsoldaten an Schulen" veröffentlicht. Darin heißt es: "Die Schulen sind autonom und können selber entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen sie Soldaten einladen wollen". Als Kritikpunkt sieht die Organisation vor allem die Tatsache, dass "Schattenseiten des Soldatenberufs wie Traumatisierungen, Verletzungen, Tod, das Töten anderer Menschen, die eingeschränkten Grundrechte gar nicht oder nur ansatzweise thematisiert" werden. Man verweist ebenfalls auf den "Beutelsbacher Konsens". Zudem hält terre des hommes den Soldaten-Besuch für unvereinbar mit der "UN-Kinderrechtskonvention". Denn "Kinder und Jugendliche haben [...] auch ein Recht auf Information und eigene Meinungsbildung. So lange sie ausgewogen informiert werden und gelernt haben, mit Informationen kritisch umzugehen [...]".

Terre des hommes wünscht sich, dass Veranstaltungen mit Soldaten grundsätzlich erst ab Sekundarstufe II stattfinden. Außerdem sollte eine Teilnahme freiwillig sein. Das bedeutet: es muss eventuell Ersatzunterricht geben, sollte ein solcher Besuch während der Unterrichtszeit stattfinden. Veranstaltungen müssten außerdem rechtzeitig angekündigt werden, insbesondere den Eltern. Veranstaltungen mit der Bundeswehr sollten zudem als Diskussionsveranstaltungen mit kritischem Gegenpart stattfinden.

Wie steht ihr zur Werbung für die Bundeswehr an Schulen?

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Autorin / Autor: Kirsten; - Stand: 12. September 2012