Sadie - Stirbt sie, wird niemand die Wahrheit erfahren

Autorin: Courtney Summers
Übersetzt von Friederike Levin
Ab 14 Jahren

Sadie ist es gewohnt, auf sich alleine gestellt zu sein. Seit sie 13 ist, kümmert sie sich um ihre kleine Schwester Mattie, mit der sie in ärmlichen Verhältnissen in einer Bauwagen-Siedlung aufgewachsen ist. Bis zu ihrem 13. Lebensjahr gab es dort immer Alkohol, Drogen, fremde Männer, die ein und aus gingen – aber auch ihre Mutter. Eine Mutter, die sich zwar kaum um ihre Töchter gekümmert hat, aber die immerhin anwesend war. Und da Sadie es gewohnt ist, sich um ihre kleine Schwester zu kümmern, weiß sie auch, was zu tun ist, als diese mit 13 Jahren tot aufgefunden wird. Ermordet, ohne weitere Hinweise auf den Täter. Kurze Zeit später verschwindet Sadie aus der Bauwagen-Siedlung, in der sie ihr komplettes bisheriges Leben verbracht hat und macht sich auf, den Tod ihrer kleinen Schwester zu rächen.
Einige Monate nach Sadies Verschwinden wendet sich deren Ersatz-Großmutter an einen Journalisten, West McCray, der True Crime Podcasts erstellt, und bittet ihn, sich auf die Suche nach Sadie zu machen – die Polizei hätte längst aufgegeben. Tatsächlich findet West McCray bei seiner Recherche eine Spur zu Sadie und bringt immer neue Dinge ans Licht, von denen er manche jedoch lieber nie erfahren hätte…

Der Leser begleitet in diesem Buch nicht nur Sadie auf ihrer Suche nach Matties Mörder, sondern auch West McCray auf seiner Suche nach Sadie. Dadurch, dass beide Geschichten im gleichen Tempo erzählt werden, tappt man jedoch die meiste Zeit im Dunkeln, obwohl man das Gefühl hat, so viel mehr zu wissen als McCray. Die Kapitel auf den beiden Zeitebenen sind visuell deutlich voneinander zu unterscheiden, sodass keine Unklarheit darüber entsteht, ob man gerade Sadie oder McCray folgt. Beide Handlungsstränge sind spannend geschrieben und es kommt auch nicht das Gefühl auf, ein und dieselbe Geschichte zweimal zu lesen. Stattdessen ergänzen die beiden Perspektiven sich gegenseitig. Das Format des Podcasts zu verwenden passt zur heutigen Zeit, in der Podcasts scheinbar wieder in Mode sind und sich vor allem True Crime Podcasts großer Beliebtheit erfreuen. Einen Podcast jedoch abzudrucken ist mutig und macht es dem Leser nicht immer leicht, einen direkten Zugang zu dessen Inhalt zu finden. Ich kann mir vorstellen, dass dieses außergewöhnliche Stilmittel im Hörbuch besser funktioniert. Inhaltlich ist das Buch unglaublich mitreißend und macht es dem Leser unmöglich, sich dem Leid und der Wut zu entziehen, die Sadie empfindet. Erst im Laufe der Geschichte wird klar, welche Dämonen Sadie wirklich plagen und treiben, was all ihr Handeln in ein ganz neues Licht rückt.

„Sadie“ ist kein schönes Buch, es macht den Leser nicht glücklich oder verleitet zum Träumen. Aber es ist ein gutes Buch, das menschliche Abgründe aufzeigt, auf gesellschaftliche Probleme hinweist und viele Leser mit einer tiefen Dankbarkeit und Ehrfurcht erfüllen wird.
Deshalb möchte ich „Sadie“ sehr gerne weiterempfehlen, allerdings nicht ohne die Warnung, dass es sich dabei teilweise um schwere Kost handelt, die den Leser mit einem mulmigen Gefühl zurücklässt.


*Erschienen bei Beltz & Gelberg*

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Autorin / Autor: Lacrima - Stand: 11. Februar 2019