Ruhiggestellt

Ärzte verschreiben Jugendlichen immer häufiger Psychopharmaka

Offenbar verordnen immer mehr Ärzte und Ärztinnen Kindern und Jugendlichen Psychopharmaka, also Medikamente, die auf die Psyche des Menschen einwirken. Vor allem Medikamente gegen das sogenannte Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) werden vermehrt verschrieben. Wie die Techniker Krankenkasse (TK) mitteilte, hätten 2006 noch fast 20.000 TK-versicherte Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 17 Jahren Pillen gegen die Aufmerksamkeitsstörung erhalten, im Jahr 2010 waren es bereits rund 29.000. Bereinigt um den Zuwachs der Versicherten in der Altersklasse sei die Anzahl der betroffenen Kinder damit um 32 Prozent gestiegen.

Auch die Zahl der Kinder, die mit Risperidon, einem Wirkstoff gegen Aggressionen im Zusammenhang von Verhaltensstörungen, behandelt wurden, habe sich in den Zeitraum mehr als verdoppelt.

Auch Antidepressiva sollten nicht sorglos verschrieben werden

Professor Dr. Hannsjörg Seyberth, Vorsitzender der Kommission für Arzneimittelsicherheit im Kindesalter der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin: "Die Kinder stehen heute unter einem enormen familiären und schulischen Druck zu funktionieren. Verhaltensauffälligkeiten sofort mit Medikamenten zu bekämpfen, ist dabei der falsche Weg." Bevor Psychopharmaka eingesetzt würden, sollten die Ursachen der psychischen Störung genau untersucht und mit anderen Therapiemöglichkeiten wie Psycho- oder Verhaltenstherapie behandelt werden, rät der Seybert, denn die Spätfolgen und Langzeitwirkungen von Psychopharmaka bei Kindern seien bisher nur wenig erforscht.

Es scheint auch ein sorgloserer Umgang mit Antidepressiva Einzug zu halten in deutschen Arztpraxen: Die Versicherungsgesellschaft fand heraus, dass ein Fünftel der Verordnungen Medikamente betrifft, die bei Kindern und Jugendlichen nicht eingesetzt werden sollen. Hinzu komme, dass viele fachfremde Mediziner wie zum Beispiel Hausärzte Antidepressiva verschreiben.

Dr. Martina Köthemann, Apothekerin bei der TK: "Die Behandlung mit Psychopharmaka gehört in die Hände von Fachärzten. Denn die Wirksamkeit und Risiken der verschiedenen Arzneimittel müssen genau abgewogen werden. Gerade bei Kindern und Jugendlichen können bestimmte Antidepressiva schwere Nebenwirkungen wie Vergiftungen, Herz-Rhythmus-Störungen oder Suizidrisiko auslösen."

Im Bereich der Schlafmittel (Hypnotika) sei die Zahl der Verordnungen dagegen um 14 Prozent zurückgegangen. "Allerdings sollten auch Schlafmittel bei Kindern nur im Extremfall verordnet werden", so Seyberth.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 20. Oktober 2011