Projekt Weltall – Chemie in der Milchstraße

Im Universum laufen viele chemische Reaktionen ab. Aber wir Menschen bringen auch Chemie ins All. Von Schulexperimenten bis zur ganz großen Weltallmission. Die Chemie ist dabei!

Die Schülerinnen und Schüler des Siebenpfeiffer-Gymnasium in Kusel, einer kleinen Stadt im Süden von Rheinland-Pfalz, hatten am letzten Tag vor den großen Ferien noch eine ganz besondere Mission: PROJEKT WELTRAUM! Denn sie hatten sich für die Weltraumwoche der Chemieverbände Rheinland-Pfalz beworben, bei der ein Ballon bis zu 35.000 Meter hoch fliegt, also im wahrsten Sinne des Wortes an den Rand der Welt.

In 35.000 Meter Höhe dürfen die Schüler:innen experimentieren (Bild: Stratoflights, gefunden auf chemie-rp.de)

Hoch hinaus

Bei dem sogenannten Stratosphärenflug erreicht der mit Helium gefüllte Wetterballon also Höhen, die die eines Flugzeugs um das Dreifache überschreiten.
Alle mit 4.000 Litern Helium gefüllten Ballons, die in Rheinland-Pfalz starten sollen, haben eine Sonde und einen Datenspeicher an Bord. So können verschiedene Daten gemessen und später ausgewertet werden. Der Ballon kann zudem mit eigenen Experimenten bestückt werden. Außerdem ist das Ganze eine richtige MINT-Angelegenheit! Der sinkende Luftdruck bietet eine perfekte Umgebung, um Naturwissenschaft, Mathematik, Informatik und Technik erfahrbar zu machen. Wie verhalten sich Temperatur und Luftdruck bei steigender Höhe? Wie reagieren verschiedene Stoffe auf Ozon? Wo beginnt der Weltraum? Nach den Sommerferien wird die 10. Klasse des Gymnasiums die Daten aus dem dreistündigen Flug auswerten. Wir sind gespannt! Nachlesen könnt ihr das dann hier!

MINT-Schulprojekt am Rande des Weltalls - Klick aufs Bild führt zu YouTube

Chemie im Weltraum

Aber die Experimente rund um den Ballon sind natürlich nicht die einzige Chemie, die im All passiert.
Schauen wir uns doch mal die chemische Zusammensetzung im Universum an. Das mit Abstand häufigste Element im Universum ist Wasserstoff. Wasserstoff spielt im Moment in der Industrie eine riesige Rolle, weil es als Ersatz für die bisherigen Arten der Energieerzeugung gilt. Wir wollen weniger Kohlenstoff nutzen, weil das besser fürs Klima ist. Dafür braucht man Fachleute, die sich mit Wasserstoff (extrem entzündlich!) gut auskennen. Hier erfährst du mehr darüber.

Darauf folgen mit großem Abstand Helium und Sauerstoff. Auch die Sonne besteht hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium.

Der Mars besteht vor allem aus Kohlendioxid und auch aus Stickstoff und Argon.

Überraschend ist der Mond, auf dem sehr viele Elemente nachgewiesen werden konnten. Er besteht hauptsächlich aus Eisen, es wurden aber Elemente wie Uran oder Titan gefunden, die für uns nützlich sein könnten. Bald ist auch wieder eine Mission mit Menschen auf den Mond geplant.

Im Weltraum dagegen befinden sich momentan zehn Menschen. Sieben davon auf der Internationalen Raumstation ISS. Um dorthin zu kommen, braucht man einiges an Chemie. Die Raketen, die die Atmosphäre durchdringen, müssen bestimmte Eigenschaften haben. Und auch, um auf einer Raumstation zu leben, ist Chemie unabdingbar.

Unsere Planeten und Monde bestehen aus ganz unterschiedlichen Elementen. (Bild: Pixabay, Inhaltslizenz)

Mit Leichtmetall ins All

Schauen wir uns zum Beispiel mal die ISS an. Die internationale Raumstation kreist seit mittlerweile 24 Jahren um die Erde. Und das in 400 Kilometern Höhe. Sie besteht zum größten Teil aus Aluminium. Die Verwendung von Aluminium ist sehr vielseitig. Das liegt nicht zuletzt auch an den vielen nützlichen Eigenschaften des Leichtmetalls. Im Vergleich zu Stahl sind Bauteile aus Aluminium beispielsweise bei größerem Volumen trotzdem leichter. Hinzu kommt, dass Aluminium eine hohe Korrosionsbeständigkeit gegenüber Salzwasser aufweist und zudem gut als elektrischer Leiter fungiert. Beim Fahrzeugbau ist die Masse des Fahrzeugs von großer Bedeutung, denn je leichter das Fahrzeug am Ende ist, desto weniger Treibstoff verbraucht es. Aus diesem Grund wird Aluminium verstärkt für den Bau von Fahrzeugen eingesetzt. Oder eben Raumstationen. Einkaufen kann man da natürlich nicht mal schnell. Und ein Stromkabel legen ist auch eher schwierig.

Eine Rakete muss ganz besondere Eigenschaften haben. Hitzebeständigkeit ist eine davon. (Bild: rocket launch, pixabay, Inhaltslizenz)

Sonnenenergie auf der ISS

Tatsächlich versorgt sich die ISS selbst mit Strom. Und zwar mit riesigen Photovoltaikanlagen. In so einer Solarzelle sind Halbleiter von großer Bedeutung. Halbleiter haben Eigenschaften zwischen elektrischen Leitern und Isolatoren, die also nicht leiten. Je nach Temperatur ist das eine oder das andere stärker ausgeprägt. Je höher die Temperatur, desto stärker wandeln sich die Eigenschaften zu einem elektrischen Leiter. Das macht man sich bei Solarzellen zu Nutze.

Vielgenutzte Solarmodule sind Silizium-Wafermodule. Je mehr die Sonne scheint, desto mehr Strom kann erzeugt werden. Oder: Je günstiger der Lichteinfall ist, desto mehr Strom gibt’s. Da es zwischen der ISS und der Sonne keine Wolken gibt, funktioniert der Solarstrom im Weltall sehr gut!

Die ISS kann sich dank Solarpanelen selbst versorgen (Bild: StockSnap, pixabay)

Durch Chemie versorgt sich die ISS selbst!

Um die Astronauten versorgen zu können, wird die ISS regelmäßig mit unbemannten Raumschiffen angeflogen. Diese bringen Essen, Geräte, Treibstoff und so weiter. Dafür nehmen sie Abfall, Proben und andere nicht mehr benötigte Dinge wieder mit zur Erde. Es gibt allerdings ein paar Dinge, die nicht (mehr) mitgebracht werden: Und das wird jetzt vielleicht einige schockieren!

Denn anstatt Wasser ins All zu transportieren, wird dieses einfach aufbereitet. Aus dem Wasser, was eh schon an Bord ist. In Form von Urin und Schweiß der Astronaut:innen. Immerhin 98% des Wassers kann so aufbereitet werde, dass es wieder trinkbar ist. So kann sich die Besatzung der ISS lange Zeit selbst versorgen.

Bei der Aufbereitung gibt es zwei Wege. Zum einen die Feuchtigkeit aus dem Atem und Schweiß der Astronaut:innen, die mit Luftentfeuchtern gesammelt wird. Zum anderen die „Urine Processor Assembly“, eine Destillationsmaschine zur Aufbereitung des Urins.

Das System, das Environmental Control and Life Support System (ECLSS), funktioniert ähnlich wie die Wasseraufbereitung hier am Boden: mit einer Kläranlage aus verschiedenen Filtern und Katalysatoren. Das Wasser, das damit gewonnen wird, hat sogar eine bessere Qualität, als wir es hier aus dem Wasserhahn kennen.

Ein Ausbildungsbetrieb hier in Deutschland, der eine solche Wasseraufbereitung möglich macht, ist Kurita. Sie haben verschiedene Standorte hier in Deutschland und steuern mit ihren Chemikalien der Wasserverschmutzung entgegen, so dass für bestimmte Produktionsprozesse weniger Trinkwasser verbraucht werden muss. Und ja, sie beliefern teilweise auch die ISS! Hier lest ihr mehr darüber. Wenn du also eine nachhaltige Ausbildung machen willst, dann bist du HIER richtig!

Die ISS versorgt sich in Teilen selbst. Zum Beispiel durch Trinkwasseraufbereitung. (Bild: ISS, pixabay, Inhaltslizenz)

Atemluft direkt von der ISS

Nicht nur Wasser wird auf der ISS gebraucht, auch ein anderes lebensnotwendiges Element wird ständig benötigt: Sauerstoff. Beziehungsweise Atemluft. Atemluft besteht ja zu 78 % aus Stickstoff (N2), 21 % aus Sauerstoff (O2) und dazu aus Wasserdampf und verschiedenen Edelgasen sowie 0,04 % Kohlenstoffdioxid (CO2).

Auch dafür gibt’s eine Lösung, und wieder ist ein deutscher Ausbildungsbetrieb involviert. Evonik hat zusammen mit Airbus einen Katalysator zur Aufbereitung der Luft in der ISS entwickelt – und der könnte sogar auf einer Marsmission zum Einsatz kommen!

Das Lebenserhaltungssystem ACLS (Advanced Closed Loop System) wurde 2019 vom ESA-Astronauten (ESA ist die europäische Raumfahrtbehörde, wie die NASA in den USA) Alexander Gerst installiert und soll vor allem den hohen Kohlendioxidgehalt reduzieren. Denn der Kohlendioxidanteil in der Luft innerhalb der ISS ist zehnmal höher als auf der Erde. Durch den neuen Katalysator wird unter teils hohen Temperaturen das CO₂ abgeschieden. Dieses reagiert im Katalysator mit Wasserstoff zu Wasser und Methan. Zuvor wird Wasser gespalten, um den Wasserstoff herzustellen. Der so entstandene Sauerstoff wird der Atemluft zugeführt.

Frische Atemluft wird dank Chemie direkt im All hergestellt. (Bild:  Snowy Top of Krivan Mountain, picjumbo)

Hitzeschilde

Aber nicht nur auf der ISS wird natürlich Chemie gebraucht. Auch alle anderen Raketen müssen bestimmte Eigenschaften besitzen, um ins All zu fliegen. Oder besser gesagt, um zurückzukommen. Denn beim Austritt aus der Atmosphäre sind sie sehr viel langsamer als beim Eintritt. Deshalb passiert hier nichts. Beim Eintritt hat die Rakete jedoch eine enorm hohe Geschwindigkeit und wird dann von der Atmosphäre abgebremst. Der schnellste bekannte Atmosphäreneintritt geschah mit einer Geschwindigkeit von 170.000km/h! Dabei entstehen Temperaturen von mehreren Tausend Grad. Und das würde die Rakete normalerweise nicht überstehen. Daher gibt es einen Hitzeschutz. Das wird in der Fachsprache Hitzeschild genannt, und dieses unterscheidet man dann nochmal in wiederverwendbare und nicht wiederverwendbare Hitzeschilde.

Nicht wiederverwendbare Hitzeschilde bestehen in der Regel aus Kork- oder Glasfaser-Verbundwerkstoffen und/oder Kunststoffschaum (Polystyrol) auf einer Stützstruktur (Aluminiumlegierung). Einige Hitzeschilde bestehen auch aus einem Kunstharz. Ablative Hitzeschilde haben zusätzlich noch eine kühlende Funktion durch Verdampfung.

Wiederverwendbare Hitzeschilde wie Hitzeschutzkacheln bestehen meistens aus porösen Glasfaserwerkstoffen mit einer temperaturbeständigen Deckschicht aus Borosilikat, das größtenteils aus Bortrioxid und Siliciumdioxid besteht. Borosilikatglas kennst du zum Beispiel aus den Laborbehältnissen. Solche Hitzeschutzkacheln werden auch in Öfen verwendet.

Ihr merkt schon: Die Raumfahrt ist ein Traum für Materialwissenschaftler:innen, Naturwissenschaftler:innen und Ingenieur:innen!

Damit die Rakete auch hohe Temperaturen übersteht, braucht es ausgeklügelte Forschung. (Bild: Rakete, pixabay, Inhaltslizenz)

Mondreifen

Die NASA plant 2025 einen bemannten und befrauten Flug auf den Mond. Dort sollen sie dann mit einem Fahrzeug die Landschaft erkunden. Das Fahrzeug muss natürlich bestimmte Eigenschaften mit sich bringen.

Für Michelin eine Herausforderung, aber kein Problem. Schließlich ist es nicht das erste Mal, dass sie ganz spezielle Missionen mit ihren Reifen begleiten. Schon 1990 statteten sie das Space Shuttle mit Reifen aus, die die Landung auf der Erde sicher und planbar gestalteten. Auch für andere Erkundungsfahrzeuge auf dem Mond hat Michelin schon Reifen entwickelt. Sie funktionieren ohne Luftdruck, müssen flexibel und gleichzeitig robust sein. Diese Entwicklung hilft jetzt für die neue Mondmission. Im Innovationslabor wird also an Hochleistungsmaterialien, also Kunststoffen geforscht. Wir sind sehr gespannt, was davon vielleicht in Zukunft auch auf die Straße kommt. Hier erfährst du mehr zu den Reifen.

Es tut sich weiterhin einiges in der Weltraumforschung und in den verschiedenen Weltraummissionen. Viele der wissenschaftlichen Erkenntnisse haben Einfluss auf unsere Zukunft und viele der Innovationen und technischen Entwicklungen aus der Raumfahrt wird es später in abgewandelter Form auch für uns geben.
Wir profitieren also von der Forschung und Entwicklung – aus dem All in den All-Tag. 😉

Und zum Abschluss gibt s hier noch eine kleine Grußbotschaft der angehenden Astronautin Dr. Insa Thiele-Eich:

Weltraumwoche mit Dr. Insa Thiele-Eich - (Klick aufs Bild führt zu YouTube)

Mehr Informationen über Berufe, Bewerbung und Betriebe findest du auf dem Chemieblog

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Autorin / Autor: Chemie Azubi - Stand: 9. August 2023