Noten beeinflussen Unterrichtsbewertung

Studie: Schüler_innen bewerten Unterricht gut, in dem sie gute Noten haben und werten Unterricht ab, in dem sie eine vergleichsweise schlechtere Note erzielen.

Dass Schüler_innen nicht nur bewertet werden, sondern ihrerseits auch die Qualität des Unterrichts bewerten dürfen, ist mittlerweile an vielen Schulen eine gängige Praxis. Aber wie aussagekräftig sind solche Bewertungen und durch welche Faktoren jenseits der tatsächlichen Qualität werden sie möglicherweise beeinflusst? Wissenschaftler_innen des Hector-Instituts für Empirische Bildungsforschung fanden in einer Studie Hinweise darauf, dass Noten nicht nur die Beurteilung des Unterrichts in dem jeweiligen Fach beeinflussen, sondern sich auch auf die Bewertung in anderen Fächern auswirken können. Konkret heißt das: Vergeben Lehrkräfte überdurchschnittlich gute Noten, kann dies dazu führen, dass ihr eigener Unterricht besser bewertet wird, aber auch ihren Kolleginnen und Kollegen eine etwas schlechtere Unterrichtsbewertung einbringt. Die Studie liefert damit wichtige Hinweise zur Verwendung von Schülerurteilen in der Praxis.

Das Team um Ann-Kathrin Jaekel untersuchte, wie die Noten von rund 6.500 Schülerinnen und Schülern der Klassen 5 bis 10 in den Fächern Mathematik und Deutsch mit ihrer Bewertung der Unterrichtsqualität zusammenhängen. Dabei wurde deutlich: Je besser die Note der Schüler_innen in einem Fach, desto besser bewerteten sie dort den Unterricht.
Gleichzeitig zeigte sich aber auch, dass eine bessere Note in einem Fach mit einer schlechteren Beurteilung des jeweils anderen Fachs einhergeht – unabhängig davon, welche Note, aber auch welche tatsächliche Leistung dort erzielt wurde. Insofern werten Schüler_innen die Unterrichtsqualität in demjenigen Fach ab, in dem sie die vergleichsweise schlechtere Note bekommen. Außerdem bedeutsam: Dieses vergleichende Bewertungsmuster konnten die Forscher_innen nicht nur bei einzelnen Schülerinnen und Schülern feststellen, sondern es galt für ganze Klassen.

Ähnliche Effekte sind bereits aus der Forschung zum akademischen Selbstkonzept von Schüler_innen bekannt: Je besser ihre Leistung beispielsweise in Mathematik, desto höher ist ihr mathematisches Selbstkonzept. Bessere Fähigkeiten in Mathematik als in Deutsch führen hingegen zu einem niedrigeren Selbstkonzept in Deutsch.
Das heißt, wie Schülerinnen und Schüler die Unterrichtsqualität in einem Fach bewerten, wird auch von den Noten beeinflusst, die sie in einem anderen Fach erhalten. „Dieses Phänomen sollte besonders berücksichtigt werden, wenn Schülerbewertungen für die Beurteilung von Lehrkräften im Rahmen der Unterrichtsevaluation herangezogen werden“, betont Ann-Kathrin Jaekel vom HectorInstitut für Empirische Bildungsforschung und Erstautorin der Studie.

Co-Autor Richard Göllner, Professor für Educational Effectiveness am Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung, erklärt: „Mit ihren Ergebnissen liefert uns die Studie ein wichtiges Puzzlestück, um die Frage zu beantworten, welchen Nutzen Schülerurteile für die Schulpraxis haben und welche Einschränkungen dabei zu berücksichtigen sind.“ In weiteren Studien soll nun untersucht werden, wie solche Beurteilungseffekte bei der Verwendung von Schülerurteilen in der Praxis bestmöglich vermieden werden können.

Die Ergebnisse sind im Journal of Educational Psychology erschienen.

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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 23. November 2021