Never - Die letzte Entscheidung

Autor: Ken Follett
Übersetzt von Dietmar Schmidt, Rainer Schumacher

Wir befinden uns im Jahr… Ja in welchem Jahr denn eigentlich? So ganz klar wird das in dem neuen Buch von Ken Follett nicht. Aber auch wenn es in ‚Never‘ durchaus utopisch (eine Frau ist Präsidentin der USA) und dystopisch (es geht viel um Geheimdienste, Terroristen, Nuklearwaffen und Militärs) zugeht, scheinen wir nicht allzu weit in die Zukunft zu schauen.

Pauline Green, die Präsidentin der USA, sieht ihre Hauptaufgabe als mächtigste Frau der Welt, Munchkin Country, eine Bunkeranlage, in die sie im Falle eines Atomkriegs ziehen würde, überflüssig zu machen. Aber natürlich ist sie auch für das allgemeine Wohl der Amerikaner_innen verantwortlich und befehligt die Soldat_innen und Geheimdienstmitarbeiter_innen, die mit konventionellen Waffen für die USA arbeiten.

Zu letzteren gehört Tamara, die im Tschad stationiert ist und dort zusammen mit dem französischen Geheimdienstmitarbeiter Tab eine Mission gegen den Islamischen Staat betreut: Sie sind dafür verantwortlich, dass Abdul, ein amerikanischer Spion, mit Kiah in einem Bus sitzt, der Geflüchtete nach Europa bringen soll. Und der mehrere Kilo Kokain geladen hat. Davon wissen die Geflüchteten, allen voran Kiah, die eigentlich nur nach Frankreich will und dort für sich und ihren Sohn auf ein besseres Leben hofft, natürlich nichts.

Sie wollen weg, da im Tschad nicht nur das Wasser schwindet, sondern das Land auch von einer steigenden Anzahl chinesischer Waffen geflutet wird, die nicht nur den Amerikaner_innen Kopfzerbrechen bereiten. Dass die Supermacht sich allzu viele Gedanken darüber macht, versucht Kai, der in Bejing Leiter des Auslandsgeheimdienstes ist, zu verhindern. Und auch er versucht mit aller Macht, die chinesische Führung von einem Krieg abzuhalten- ganz gleich ob konventioneller oder nuklearer Art.

Wer bis hierher folgen konnte, hat die unterschiedlichen Handlungsstränge aus Folletts neuem Roman grob überblickt. Diese webt der Autor in seinem Roman geschickt ineinander. Dabei wiederholt sich das gleiche Ereignis zum Glück nicht aus verschiedenen Perspektiven - andernfalls wäre der über 800 Seiten starke Roman wohl zu einem richtigen Monstrum avanciert. Die Perspektiven wechseln sich vielmehr ab, teils kommt es auch innerhalb der Kapitel zu einem Erzähler_innenwechsel. Das kann etwas verwirrend sein, vor allem, da die Leserin sich mit vielen Namen konfrontiert sieht. Dennoch konnte ich dem Roman gut folgen, was auch an den immer wieder eingeflochtenen Wiederholungen liegt (die hier wie gesagt eher hilfreich als langweilig sind).

Ich rechne es dem Autor hoch an, dass er auf ein ausgewogenes Rollenverhältnis zu setzen scheint. Ein Wermutstropfen ist meinen Augen die etwas stereotype Darstellung der Protagonist_innen: Während die Frauen zu Gefühlen neigen, agieren die männlichen Figuren rational und überlegt. Außerdem hatte ich den Eindruck, einen relativ starken Amerika-Bias aus dem Buch herauslesen zu können, was ich etwas schade finde.
Alles in allem ist „Never“ jedoch ein faszinierender Schmöker, der perfekt für kalte Wintertage und -abende geeignet ist.


*Erschienen bei Lübbe*

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Autorin / Autor: karla94 - Stand: 21. Januar 2022