Wenn Tragik und Trauer mit Liebe und Hoffnung verschmelzen, kann etwas ganz Neues und Besonderes entstehen. Das zeigt uns der Roman von Anika Landsteiner „Nachts erzähle ich dir alles“. Nachdem sie bereits in ihrem letzten Werk „So wie du mich kennst“ vom Umgang mit Trauer und häuslicher Gewalt schrieb, erzählt sie in diesem Roman von der Suche nach sich selbst und der weiblichen Selbstbestimmung.
Auf den Rat ihrer Mutter hin, nimmt sich Lea eine Auszeit in Südfrankreich. Weit weg von ihrem einnehmenden Beruf, ihrem eigenen Café und vor allem weit weg von ihrer Exfreundin. Sie flieht aus ihrem Leben ans Meer, auf ein Familienanwesen an der Cote d`Azur. Doch statt die erhoffte Ruhe zu finden, erlebt sie eine Tragödie: Die junge Alice wird kurz nachdem sie mit ihr gesprochen hat tot aufgefunden. Ihr Bruder Emile sucht Lea auf, um herauszufinden, was geschehen ist und bittet sie um Hilfe. Doch auf dem Weg zur Wahrheit wird auch sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. In ihren nächtlichen Gesprächen geht es unter anderen um Schuld, Angst, Schweigen und Verantwortung.

Meine Meinung zum Buch

Anika Landsteiner hat einen Roman geschrieben, der nicht nur eine tiefgründige Botschaft für den Leser bereit hält. Die Figuren sind so verschieden gestaltet, dass sich wohl jede:r mit mindestens einem Teil aus deren Leben identifizieren kann. Dabei spielen auch der Umgang mit Gefühlen und eine ordentliche Portion Feminismus eine Rolle. Die Autorin versteht es, die Sprache einzusetzen, um die Distanz zwischen dem Leser/der Leserin und der Protagonistin zu nehmen.
Leider geht die Dynamik etwas verloren, wenn immer wieder längere Briefe der Freundin von Leas Mutter die Handlung unterbrechen. Auch wenn hierbei wichtige Zusammenhänge deutlich und  wertvolle Erkenntnisse herausgezogen werden können, doppeln sich einige Aspekte, sodass Längen entstehen, die auf Kosten der Spannung gehen. Der Roman ist auf jeden Fall eine Empfehlung für alle, die es mögen, wenn mehrere kleine Geschichten in eine große integriert werden. Außerdem bietet er die Möglichkeit, vollkommen in die Handlung einzutauchen – auch wenn man gerade nicht am Strand in der Sonne liegt: Die Autorin beschreibt detailliert die Umgebung und Handlungen der Protagonist:innen sowie Gerüche und Gefühle, sodass man seinen eigenen 4D Kinofilm im Kopf laufen lassen kann. Unterstützen kann man das selbst noch, indem man sich parallel die Playlist auf Spotify anhört. Diese beinhaltet alle Songs, die in dem Buch vorkommen. Schade ist nur, dass die meisten nicht wirklich richtig in den Inhalt integriert wurden. Sie sind passend gewählt und hätten Potential wie beispielsweise „Your Song“ von Elton John zeigt (mehr soll an dieser Stelle aber nicht verraten werden). Denn auch wenn die Story Einiges an Drama und Emotionen bereit hält, zeigt der Roman dann doch „how wonderful life is“, wenn niemand alleine durch die Tiefen des Lebens muss.

*Erschienen bei Krüger*