Männer töten

Autorin: Eva Reisinger

Eva Reisingers erstes, kürzlich erschienenes Buch heißt „Männer töten“. Wie bei Überschriften üblich, fehlt das Satzzeichen. Ist es eine Frage, eine Aussage oder etwa eine Aufforderung?
Schnell wird klar, es ist keine Frage, sondern eine Aussage.

Die Protagonistin Anna Maria lebt in Berlin und hat einen Ex-Freund, der nach außen hin den Sunny Boy und Schwiegermamas Liebling gibt, aber in der Beziehung mit Anna seelisch und körperlich übergriffig war. Als Anna Hannes kennenlernt, der einen Bauernhof in Oberösterreich betreibt, folgt sie ihm kurzerhand und lernt als seine Freundin die Dorfgemeinschaft kennen. Schnell wird klar, dass dieses Dorf irgendwie besonders ist, wenngleich Anna es anfangs zwar wahrnimmt, aber nicht konkret benennen kann. Die Frauen sind eine verschworene Gemeinschaft in die Anna ganz selbstverständlich aufgenommen wird.

Als ihre Berliner Freundinnen und dann auch noch ihr Exfreund im Dorf auftauchen, prallen die Welten aufeinander und es wird klar, dass der Buchtitel auch als Aufforderung verstanden werden kann. Wen es wie trifft, müsst ihr selbst im Buch lesen.
Eva Reisingers Sprache ist sachlich, beschreibend, unaufgeregt, selten wertend, alles passiert irgendwie. Für dieses Buch funktioniert das super, weil es wie ein Spiegelbild gelesen werden kann zum gesellschaftlichen Umgang mit männlicher Gewalt gegen Frauen.

Das Bundesministerium des Innern hat im November 2024 einen Lagebericht zu „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ veröffentlicht, demzufolge in Deutschland 360 Frauen pro Jahr ermordet werden, weil sie Frauen sind (sog. Femizide) und jede drei Minuten ein Mädchen oder eine Frau Opfer von Gewalt wird. (3 Minuten ist ungefähr so lang, wie die Lektüre dieses Textes benötigt).

Mittlerweile wird zwar öffentlich darüber gesprochen, aber müssten wir nicht eigentlich auf die Barrikaden gehen? Punktuell passiert das, aber immer noch viel zu selten. Und ich finde, dass die Autorin dies mit ihrer Sprache widerspiegelt, was das Buch sehr lange nachhallen lässt.

Wer jetzt vielleicht denkt, dass es sich einfach nur um ein weiteres „Betroffenen“-Buch handelt oder gar eine Anleitung erwartet, wird das Buch nicht mögen. Wer sich auf Reisingers Sprache einlässt, wird auf eine Reise mit lustigen, zum Teil absurden und verstörenden Situationen mitgenommen und lernt liebenswerte, selbstbewusste und skurrile Personen kennen und wird ganz nebenbei empowert durch diesen krassen Perspektivwechsel. Absolut lesenswert.


Erschienen bei dtv

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Autorin / Autor: VFM