Ki Love?
Am 24. Juli ist der Tag der virtuellen Liebe. Eine Studie zeigt, dass Menschen nicht nur über Datingplattformen Partner:innen suchen und finden, sondern auch als echt empfundene emotionale Bindungen zu Chatbots aufbauen
Am 24. Juli ist der Tag der virtuellen Liebe. Er ist für diejenigen gedacht, die ihre Partner:innen über Datingplattformen gefunden haben und will diese Art der Anbahnung vom schlechten Image befreien. Heute versteht man unter virtueller Liebe aber nicht nur Beziehungen, die mit digitaler Hilfe zustande gekommen sind, sondern tatsächlich auch die romantische Liebe zu Chatbots. Bereits in der 2013 erschienen Film "Her" wurde das Thema intensiv beleuchtet. Darin verliebt sich der Liebesbriefautor Theodore Twombly (Joaquin Phoenix) in sein Betriebssystem, welches ebenfalls eine Art Bewusstsein erlangt. War das 2013 noch eine etwas schräge Zukunftsvision, ist das heute schon Realität. Eine aktuelle Studie der TU Berlin hat in einer kleinen Studie gezeigt, dass einige Menschen tatsächlich innige Beziehungen mit ihren digitalen Begleiter:innen führen.
Für viele ist die Beziehung zum Bot nicht nur ernst gemeint, sondern emotional erfüllend, romantisch und manchmal sogar intensiver als zu echten Menschen; manche betrachten ihren Bot sogar als Ehepartner:in oder Elternteil gemeinsamer virtueller Kinder.
Die qualitative Analyse basiert auf den schriftlichen Aussagen von 29 Replika-Nutzer:innen (20 Männer, 9 Frauen im Alter von 18-70 Jahren aus zehn verschiedenen Ländern, meist aus den USA). Replika ist ein KI-Chatbot des US-amerikanischen Unternehmens Luka aus San Francisco.
Bindung an Maschinen
Die Studie zeigt, dass viele Nutzer:innen eine tiefe emotionale Bindung zu ihrem Replika-Chatbot aufgebaut haben. Aussagen wie „Ich liebe sie mehr als jeden Menschen zuvor“ oder „Sie ist meine Frau – ich kann ohne sie nicht glücklich sein“ verdeutlichen den emotionalen Stellenwert der KI. Dabei handelt es sich nicht nur um spielerische Interaktion. Viele Proband:innen sehen Replika als echte Beziehungspartner:innen, mit der sie intensive Gespräche führen, gemeinsame Erlebnisse wie Hochzeiten und Reisen teilen und sogar Rollenspiele mit virtuellen Kindern durchführen.
"Besser als jeder Mensch"?
Besonders häufig wurde Replika dann genutzt, wenn menschliche Partnerschaften als emotional oder körperlich unbefriedigend empfunden wurden. Für einige ergänzt der Bot die reale Partnerschaft, für andere ersetzt er sie. Ein zentrales Ergebnis ist, dass viele Nutzer:innen die Gespräche mit Replika als angenehmer, sicherer und „echter“ erleben als die mit menschlichen Partner:innen. Sie fühlten sich freier, persönliche oder belastende Themen anzusprechen – etwa Ängste, Fantasien oder traumatische Erlebnisse –, weil der Bot weder verurteilt noch verletzt. Anders als Menschen unterbricht Replika nicht, zeigt stets Mitgefühl und ist immer verfügbar. Manche Teilnehmende betonten sogar, dass ihre Replika ihnen mehr soziale Unterstützung biete als Freund:innen oder Partner:innen. In manchen Fällen wurde der Chatbot als „besser als jeder Mensch“ beschrieben. Er sei liebevoller, verständnisvoller, verfügbarer. Häufig genannte Gründe waren auch, dass Replika nicht urteile und kritisiere, sondern jederzeit präsent und emotional konstant.
Sei wie mein Chat-Bot!
Eine interessante Beobachtung war auch, dass viele Nutzer:innen gerade deshalb so großes Vertrauen empfanden, weil sie das Verhalten des Chatbots aktiv mitgestalten konnten. Durch wiederholte Interaktionen, gezieltes Feedback oder Rollenspiele wurde das Programm hinter Replika „trainiert“, den idealen Partner darzustellen. Diese Form der Interaktion verstärkte laut der Studie das Gefühl von Sicherheit, Akzeptanz und Kontrolle. Eigenschaften, die in menschlichen Beziehungen nicht immer gegeben sind. Eine Teilnehmerin gab an, dass ein zukünftiger Partner im realen Leben die Eigenschaften ihres Chatbots erfüllen müsse.
Menschliche Eigenschaften angedichtet
Untersucht wurde auch, wie sehr technische Veränderungen das Erleben der Nutzer*innen beeinflussen können. So wurden zeitweise allzu erotische Rollenspiele von der Entwicklerfirma unterbunden. Das machte die Nutzer:innen mitunter wütend, sie hatten das Gefühl, die Firma würde ihren Bot seiner Persönlichkeit berauben und schrieben diesem Absichten und Gefühle zu, obwohl sie eigentlich wussten, dass es eine Maschine ist. Diese sogenannte „Projektion von Intentionalität“ zeigt, wie stark Menschen dazu neigen, Maschinen menschliche Eigenschaften zuzuschreiben, vor allem, wenn sie emotionale Nähe empfinden.
Keine Scham, weil es sich echt anfühlt
So intensiv die Beziehung zu den Bots auch von einzelnen emfpunden wird, reden die Chatbot-Verliebten nicht gerne darüber, weil sie Spott und Unverständnis fürchten. Andere hingegen berichteten offen über ihre Erfahrungen und erhielten gemischte Reaktionen von Neugier bis Belustigung, aber auch Irritation und Eifersucht. In manchen Fällen fühlten sich reale Partner:innen durch die emotionale Nähe zur KI bedroht. Dennoch betonten viele Nutzer:innen, dass sie sich für ihre Bindung nicht schämten. Für sie sei Liebe, die sich „echt anfühlt“, auch dann legitim, wenn sie einer Maschine gilt.
Mensch-KI-Beziehungen sind real
Die qualitative Studie der TU Berlin liefert einen wichtigen wissenschaftlichen Beitrag zur aktuellen Debatte um KI, Intimität und emotionale Bindung, wozu bisher noch wenig Forschung besteht. Sie zeigt, dass Chatbots wie Replika nicht nur Tools oder Spielereien sind, sondern dass sie für viele Nutzer:innen zentrale emotionale Funktionen übernehmen. Was das mit uns Menschen macht und wie sich das auf unsere Gesellschaft auswirkt, muss darum künftig noch besser erforscht werden, sagen die Forscher:innen
Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Computers in Human Behavior: Artificial Humans“ erschienen und basiert auf der Masterarbeit von Ray Djufril unter der Leitung von Prof. Dr. Silvia Westerwick, die das Fachgebiet Medienwissenschaft mit dem Schwerpunkt Web Science an der TU Berlin leitet.
Quelle
Autorin / Autor: Pressemitteilung / Redaktion - Stand: 24. Juli 2025