Ich, Adrian Mayfield

Autorin: Floortje Zwigtman

Buchcover Ich, Adrian Mayfield

Ein Roman, der wie nach Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“ geschaffen zu sein scheint. Die Parallelen des Romans haben mich zumindest darauf aufmerksam gemacht und als treuer Fan von Oscar Wilde sofort angesprochen. Der Schreibstil der holländischen Autorin Floortje Zwigtman wird in diesem Werk oft mit dem von Charles Dickens verglichen. Dem kann ich zustimmen, ihre einfühlsamen und realistischen Beschreibungen versetzen den Leser mitten in das London des 19. Jahrhunderts. Die Geschichte wird sehr schnelllebig und packend erzählt. Adrian ist 17 und arbeitet als Ladendiener bei einem Maßschneider in Soho. Er hasst seine Arbeit und sehnt sich nach einem Leben mit mehr Stil und Freiheiten.
Wie zu erwarten, wird er eines Tages rausgeworfen und landet auf der Straße. Nach einigen Versuchen endet er bei einem alten Kunden, einem Künstler, der ihn gerne zeichnen möchte. Dieser hat dabei jedoch Hintergedanken, denn sein neuer Gönner Trops ist homosexuell – ein „warmer Bruder“ wie Adrian es nennt. Trops sieht Adrian als seinen persönlichen Dorian Gray und will ihn nach seinem Sinn „verderben“.
Schon schnell beginnt Adrian daran zu zweifeln, dass er „normal“ ist, oder genau wie Trops abartig und von der Gesellschaft geächtet. Nach und nach wird Adrian in die elitäre Gesellschaft der Künstler und Freigeister um Oscar Wilde eingeführt, von der er sich angezogen fühlt. Doch schnell merkt er, dass er nicht wirklich in diese Gesellschaft aufgenommen wird und findet keine wirklichen Freunde dort, bis auf den jungen Maler Vincent Farley. Dieser verlässt jedoch London und Adrians reichen Freunde, um angemessen den Sommer zu verbringen und so bleibt Adrian zurück, der sich dann notgedrungen als männliche Prostituierte durchschlagen muss.

*Meine Meinung:*
Der Autorin gelingt es, den Leser mit in das London dieser Zeit zu entführen. Die Charaktere sind alle behutsam und lebendig geschildert, was ihnen einen eigenen Charme und Glaubwürdigkeit vermittelt. Man kann sich sehr gut in die Hauptperson hinein versetzen und ist genau wie er dem charmanten und geistreichen Künstlerkreis ausgesetzt. Adrian erscheint manchmal jedoch älter als 17 Jahre, was jedoch auch damit zusammen hängen kann, dass er schnell erwachsen geworden ist, da er sich ganz alleine durchschlagen muss.
Adrians Selbstfindungsprozess - besonders der seiner Sexualität -  ist unverfälscht und teilweise etwas hart beschrieben. Mit diesem Roman ist Floortje Zwigtman nicht nur ein gelungener Jugendroman gelungen, sondern auch eine fundierte Kritik an dem damals herrschenden Gesellschaftsmodel, in dem Homosexuelle als Verbrecher angesehen wurden. Sie macht auch durchaus klar, wie ihre Position zu diesem Thema ist.

Insgesamt war das Buch ein packendes Leseabenteuer, was einen über die Umstände im 19. Jahrhunderts Londons aufgeklärt hat und das auf eine fesselnde Weise, die man nicht so schnell vergisst.


*Erschienen im Oetinger Verlag*

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Autorin / Autor: carry