Heute hat die Welt Geburtstag

Autor: Flake

Christian „Flake“ Lorenz, Keyboarder der Band Rammstein, präsentiert mit „Heute hat die Welt Geburtstag“ seinen zweiten autobiographischen Roman.
Er erzählt darin die unwahrscheinliche Geschichte eines schüchternen Jungen aus Ostberlin, der schon als Kind die Faszination der Musik erkennt und sich ohne großartige Ambitionen zum Keyboarder/ Prügelknaben einer der bekanntesten deutschen Bands mausert. Als der Rock’n’Roll im Osten seinen Einzug hält, schlägt das für den kleinen Christian ein wie eine Bombe: Er sitzt erstaunt vor dem Radio und kann gar nicht fassen, was er da zu Ohren bekommt. Die Sache ist beschlossen, er will Musiker werden. Dass sich dieser Beschluss als weise Entscheidung herausstellt, kann er da noch nicht ahnen, denn Musiker zu sein ist für ihn kein Beruf, sondern nur ein Hobby. Also beginnt er zu spielen: Klavier, Gitarre, mit seinen Kindheitsfreunden, aus purer Freude. Trotz aller Hindernisse und Missgeschicke und mit vollkommener Ahnungslosigkeit und Naivität stolpert er den Weg an die Spitze der Rock- (oder, fragt er sich, ist es doch eher Punk?) Elite nach oben. Da steht er nun, auf der Bühne, und kann diesen beispiellosen Aufstieg immer noch nicht so recht fassen.

Flake wechselt in seiner Beschreibung von Kindheitserinnerungen zu Gegenwartsbeschreibungen hin und zurück. Sein Stil lässt sich am ehesten als Niederschrift seines gesamten ausgekotzten Gedankenbreis beschreiben. Er scheut sich nicht davor, auch die gemeinsten Banalitäten in ihrer gesamten philosophischen Bandbreite darzulegen – beispielsweise widmet er sich des Öfteren der Frage nach dem richtigen Zeitpunkt des Toilettengangs. Was bei anderen Personen todlangweilig wäre, ist bei ihm tatsächlich unheimlich amüsant und bietet die eine oder andere Lebensweisheit. Trotz zahlreicher Missgeschicke und Verletzungen (die er sich nicht zuletzt bei den für Rammstein bekannten Bühnenshows zuzieht) geht er voller Euphorie durchs Leben. Dieser Einstellung kann man sich auch als Leser_in schwer entziehen. Man lernt, dass vor allem die Liebe für das, was man tut, zählt. Hin und wieder empfindet man Mitleid für den geschundenen Helden, der sich nicht nur auf der Bühne allerlei Torturen ausgesetzt sieht, sondern auch im echten Leben kein Frauenschwarm ist. Doch das Mitleid verfliegt schnell, denn unser Protagonist ist von einer tiefen Zufriedenheit erfüllt. Seine Sensibilität und Bescheidenheit hat er sich seine Karriere über bewahrt, und so ist Flake vielleicht nicht das coolste Bandmitglied, aber definitiv das sympathischste.

Der Roman ist nicht nur für Rammstein Fans zu empfehlen (die das ein oder andere Insiderwissen erlangen können), sondern auch für sonst jede_n experimentierfreudige_n Leser_in. Die zweigliedrige Erzählweise mag dem einen oder anderen zu konservativ sein, doch die kreative und grundehrliche Ausdrucksweise des Autors und Protagonisten macht dies wett.
Was am Ende bleibt, ist ein gutes Gefühl und das Bedürfnis, mehr von diesem interessanten Erzähler zu lesen.


*Erschienen bei Fischer*

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Autorin / Autor: ileni - Stand: 17. Juli 2018