Ganz schön wankelmütig

Studie: Wie schnell wir unser Geschwätz von gestern vergessen

Heute so und morgen so – jaja, wenn man ehrlich zu sich selbst ist, muss man wohl zugeben, dass man nicht in allem so konsequent ist, wie man es gerne wäre. Manche Menschen schaffen es allerdings, von einer Sekunde auf die nächste ihre Meinung zu ändern. Kennst du auch so Leute, die strikt etwas vertreten und nur kurze Zeit später vehement genau das Gegenteil behaupten? Der Psychologe Lars Hall von der schwedischen Universität in Lund hat solche Menschen auf der Straße gefunden. Seine Studie gibt einen kuriosen Einblick in den menschlichen Wankelmut.

Zusammen mit zwei Kollegen begab sich Lars Hall in einen Park und bat unterschiedliche Personen zwischen 17 und 69 Jahren, einen Fragebogen zu moralisch schwierigen Themen auszufüllen. 160 Personen nahmen an dem Test teil. Zu zwölf Sätzen sollten sie ihre Meinung auf einer Skala von  1 „ich stimme gar nicht zu“ bis 9 „ich stimme voll und ganz zu“ festhalten. Dabei ging es um Aussagen wie „Im Kampf gegen internationale Gewalt und Terrorismus sollte es Regierungen erlaubt sein, E-Mails und den Internetverkehr zu überwachen“.

Was die TeilnehmerInnen nicht wussten: Die Forscher hatten die Clipboards, auf denen die Fragebögen befestigt waren, vorher manipuliert. Blätterten die Befragten weiter, so blieb ein Teil des Fragebogens auf der Rückseite des Clipboards kleben. So gelang es dem Team unbemerkt die Fragen ins Gegenteil zu verkehren. Das heißt, es stand dort jetzt etwa „Selbst im Kampf gegen internationale Gewalt und Terrorismus sollte es Regierungen verboten sein, E-Mails und den Internetverkehr zu überwachen“. Die Antworten blieben aber gleich und so wurden aus Gegnern des Überwachungsstaates auf einmal Befürworter.

War der Bogen fertig ausgefüllt, baten die Forscher die Freiwilligen darum, die (jetzt ins Gegenteil verkehrten) Statements noch einmal durchzugehen, laut vorzulesen und ihre Meinung zu erklären. Das Überraschende: 69 Prozent merkten nicht einmal die Veränderung ihrer Aussagen. Unter ihnen vor allem diejenigen, die sich nicht klar positioniert und auf der Skala Mittelwerte angegeben hatten. Aber immerhin ein Drittel derjenigen, die eine Meinung mit einem Maximal- oder Minimalwert belegt hatten, begriff den Zaubertrick nicht. Sie verteidigten sogar vehement, was sie wenige Minuten vorher strikt abgelehnt hatten, ganz nach Pippi Langstrumpfs Motto „Ich mach‘ mir die Welt, wie sie mir gefällt“. „Die Teilnehmenden konstruierten oft schlüssige und unmissverständliche Argumente, die das Gegenteil ihrer vorherigen Ansicht unterstützten“, schreiben die Psychologen im Fachmagazin „Plos one“. Dies deute an, dass wir in unserer moralischen Haltung äußerst flexibel sind.

Die Studie stellt allerdings auch die Aussagefähigkeit von Fragebögen – zumindest bei moralischen Themenstellungen – in Frage. Die Ergebnisse kommentierend sagt Lars Hall: „Entweder müssen wir daraus schließen, dass viele Teilnehmer keine richtige Meinung zu den abgefragten Themen hatten oder aber dass Standardfragebögen ungeeignet sind, die Komplexität der Meinungen von Menschen festzuhalten.“

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Autorin / Autor: Redaktion, Bild - Stand: 24. September 2012