Faszination Pilze

Katharina arbeitet auf einer kleinen Pilzfarm mitten in Köln. Wir haben sie zu ihrer Faszination für Pilze befragt und zu dem Potenzial, das in ihnen steckt.

Bild: (c) Katharina Behrendt

Katharina hat im Bachelor Biologie und im Master Ernährungswissenschaften studiert. Heute arbeitet sie bei der Pilzling GmbH, einer Pilzfarm mitten in Köln. Wie und warum sie dort gelandet ist und was Pilze zu einer gesunden und nachhaltigen Ernährung beitragen können, erfahrt ihr in diesem Interview.

Wie bist du denn bei den Pilzen gelandet?

Zunächst wurde ich durch einen Freund während meines Biologiestudiums mit der Pilzbegeisterung infiziert. Er hat mir zum Geburtstag einen selbst hergestellten Rosenseitling in einem Eimer mit Stroh geschenkt, der super gekommen ist und hat mir, immer wenn ich ihn besucht habe, seine neuesten Pilz-Projekte gezeigt (z.B. ein großes Pilzbeet im Schatten des Gartens). Er ist auch ein begeisterter Pilzsammler.
Weiterhin wurde mir dann von zwei Freundinnen unabhängig voneinander die Fungi Academy in Guatemala empfohlen, als ich einen schönen Ort zum Reisen gesucht habe. Dort habe ich dann mein 6-wöchiges praktisches Berufspraktikum an der Uni Köln machen dürfen. Die Pilz-Community dort war so begeistert von Pilzen zu jeglichen Zwecken, dass ich einfach nicht anders konnte, als tiefer in die Welt der Pilze einzusteigen. Meinen Masterstudiengang habe ich dann so herausgesucht, dass dort, wo ich studieren würde, an Speisepilzen geforscht wird. Da gibt es gar nicht so viele in NRW und ich war froh, dass ich in Mönchengladbach anfangen konnte, um meine Leidenschaft weiter zu verfolgen. Meine Masterarbeit durfte ich dann auch im Bereich Speisepilze (im Zusammenhang mit Kreislaufwirtschaft) schreiben.

Was fasziniert dich denn so an Pilzen?

Ein vielseitiger Pilz mit vielen Namen: Igel-Stachelbart, Pompom Pilz, Lions Mane, Affenkopfpilz...

Das ist eine gute Frage. Mich fasziniert an Pilzen besonders ihre vielseitige Nutzungsmöglichkeit. Von Möbelstücken, über Färbemittel, Feueranzünder, Lebensmittel, Mycoremediation bis hin zur Produktion von medizinischen Inhaltsstoffen sind sie so unfassbar vielseitig einsetzbar.
Besonders interessant finde ich das Gebiet der Vitalpilze. Es bedarf noch viel Forschung in dem Gebiet, aber die bisherigen Studien liefern vielversprechende Ergebnisse. Einen wichtigen Beitrag zur Medizin, den Pilze geleistet haben, kennt jeder: Penicillin, ein antibiotischer Wirkstoff. In anderen Ländern, wie z.B. Japan und China sind Vitalpilze auch jetzt schon Bestandteil der gängigen Heilmethoden. Ich bin gespannt, ob und wieweit diese Methoden in Europa in Zukunft ankommen.

Pilze sind ein echt alter Hut. Was können sie zur Ernährung der Zukunft beitragen?

Pilze können in verschiedenen Hinsichten zu einer "Ernährung der Zukunft" beitragen. Zum einen enthalten sie wenig Fett und viele Ballaststoffe, was für unsere westliche Ernährung sehr vorteilhaft ist (da zu viel Fett und zu wenig Ballaststoffe). Zum anderen versprechen sie einen Beitrag dazu zu leisten, den Verzehr von Tieren zu minimieren. Der Verzehr von fleischlichen Ersatzprodukten steigert sich von Jahr zu Jahr. Immer neue Produkte kommen auf den Markt. Pilze enthalten sehr viele Proteine (bis zu 50% der Trockenmasse), was sie zu einer vielversprechenden Alternative macht. Außerdem erinnert ihre Konsistenz und Struktur viele Konsumentinnen und Konsumenten bereits an Fleisch. Im Sinne der Planetary Health Diet (gesunde Menschen nur mit gesunder Umwelt) könnten Pilze also dabei helfen, den übermäßigen umweltschädlichen und ungesunden hohen Tierkonsum zu reduzieren.

Wie sieht denn für dich und deine Kolleg:innen die typische Arbeit auf einer Pilzfarm aus?

Einen typischen Arbeitstag in dem Sinne gibt es bei uns nicht. Und das ist es auch, was ich an dem Job so sehr liebe. Die Arbeitszeiten sind flexibel und die Aufgaben auch.
Es hängt bei uns auch sehr von der Saison ab, was so ansteht. Ostern und Dezember sind unsere Peak Zeiten für den Growkit (=Zuchtset) Verkauf - in der Zeit stehen einige von uns viel im Labor. Dort gibt es viel zu tun, wie zum Beispiel die GrowKits mit Substrat befüllen, die Autoklave beladen und starten, bei der Beimpfung der Blöcke zu helfen und, und, und. Anschließend müssen die Growkits noch verpackt und versandt werden, was vor allem im Dezember sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Aufräumen und putzen ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der täglichen Aufgaben. Das gilt auch für die Frischpilze. Da die Substratblöcke sich wunderbar als Nährboden für Schimmel eignen, muss so sauber wie möglich gearbeitet werden. Im Dezember stehen ich und meine Kolleginnen und Kollegen dann auch immer mal wieder auf dem Weihnachtsmarkt und verkaufen. Auch der Kundinnen und Kunden-Support, den ich übernehme, ist im Winter sehr viel zeitintensiver als über den Sommer (da dort einfach weniger DIY Produkte gekauft werden).

Im Sommer hingegen rücken Veranstaltungen und Farmführungen mehr in den Vordergrund.

Die Frischpilzzucht ist perspektivisch ebenfalls Bestandteil der täglichen Arbeitszeit: Überwachung des Fruchtraumes und Anpassung der verschiedenen Wachstumsparameter (Luftfeuchtigkeit, Licht, Temperatur, CO2 Gehalt), Planung der Fruchtraumauslastung, der Erntemengen und der Entsorgung des genutzten Substrates und natürlich putzen, putzen, putzen.
Jede und jeder im Team hat seine eigenen Verantwortungsbereiche von Marketing über Produktionsleitung, Produktion, Verpackung, Versand und Engineering hin zu Buchhaltung und Außendienst. Manche Aufgaben werden auch im Team aufgeteilt.

Wie kann Urban Farming (Landwirtschaft in der Stadt) zur Nachhaltigkeit und einer klimaverträglichen Lebensmittelsicherung beitragen?

Speisepilze benötigen wenig Fläche, kein Sonnenlicht und kühlere Temperaturen - perfekt für bereits bestehende Kellergebäude der Stadt. Somit werden Neubauten und neue Versiegelungen vermieden und Energie für den Bau neuer Anlagen gespart.

Eine Besonderheit vom Anbau von Speisepilzen ist die, dass Reststoffe genutzt werden können, um als Substrat zu dienen. So können zum Beispiel Kaffeesatz, Kartoffelschalen oder Möhrenreste potenziell als Nährsubstrat dienen. Die Pilze werden dies zersetzen und daraus für unsere Nahrung wertvolle Proteine herstellen. Anschließend kann das genutzte Substrat ebenfalls weiterverwendet werden. Angesichts des Klimawandels und knapper werdender Ressourcen gewinnt das Thema Kreislaufwirtschaft zunehmend an Bedeutung. Um die Pilzzucht im Sinne eines geschlossenen, ressourcenschonenden Systems weiterzuentwickeln, braucht es weiterhin intensive Forschung sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren und Unternehmen. Ich möchte mit meiner Arbeit gerne einen Beitrag dazu leisten.

Durch die Produktion direkt in der Stadt entfallen lange Transportwege der Endprodukte. Das spart CO₂ und garantiert frische, regionale Lebensmittel. Außerdem bietet Pilzling ebenso Farmtouren, Vortragsreihen und Workshops im Bereich Pilze und Pilzzucht an, was das Bewusstsein für Ernährung, Ökologie und Kreisläufe fördert - ein wichtiger Baustein für gesellschaftliche Transformation. Es ist wichtig, den Menschen einen Bezug zu ihren Nahrungsmitteln zu geben. Nur so können sie erkennen, wieviel Arbeit und Zeit hinter einem Pilz steckt und ihn mit mehr Wertschätzung behandeln. Vielleicht wandern dadurch weniger Lebensmittel in den Abfall und es wird bewusster eingekauft und konsumiert.

Anbau von Lions Mane Pilzen in einem Keller mitten in der Stadt

Was ist dein Lieblingspilz und warum?

Mmmmh, schwierige Frage. Tatsächlich variiert das sehr von Woche zu Woche. Eine Zeitlang war es der Igelstachelbart (Lions Mane). Einfach, weil er schön aussieht und wirklich sehr viele spannende Inhaltsstoffe liefert. Mittlerweile habe ich ihn so viel gesehen und darüber erzählt, dass ich ihn fast langweilig finde :-D.
Ich mag besonders die Abwechslung. Den Schwefelporling finde ich toll, oder alles wo ich nicht so leicht dran komme. Schopftintling, Judasohr oder Krause Glucke finde ich superlecker. Unsere Pilze mag ich natürlich auch total gern (Kräuterseitlinge sind, obwohl ich sie so oft esse, unter meinen Favoriten, ebenso wie Shiitake und Austernseitling). Für mich macht es vor allem der limitierte Zugang zu manchen Sorten zur Waldwuchszeit, dass ich sehnsüchtig die Saison erwarte.

Auch sehr schmackhaft: Austernseitling

Welcher schmeckt dir am besten?

Geschmacklich mag ich besonders den Kräuterseitling. Ich weiß, das klingt langweilig, aber ich finde ihn einfach toll. Ich mag die Konsistenz einfach gerne. Schön fleischig und fest. Und so deftig. Den könnte ich wirklich fast jeden Tag essen, glaube ich.

Was meinst du, was kommt im Jahr 2050 auf den Teller?

Wird es sich so sehr verändern? Wir mögen ja meistens die Dinge, die wir kennen (was Geschmack angeht) und werden da sehr von unseren Vorfahren und unserer Kultur geprägt. Ganz neue Geschmäcker oder Konsistenzen einzuführen, ist gar nicht so leicht. Evolutionsbedingt sind wir eben darauf gepolt, "sicher" zu essen (und nicht etwas, was uns vergiften und umbringen könnte). Oder auch wie man so schön sagt: "Bei Mama schmeckt's am besten". Also anders ausgedrückt: Das, was wir kennen, schmeckt uns am besten.

Insofern denke ich, dass sich geschmacklich nicht so super viel tun wird. Klar werden wahrscheinlich die Einflüsse anderer Kulturen stärker (auch dadurch, dass sich die Familien immer mehr kulturell mischen). Außerdem wird wahrscheinlich der Fleischkonsum politisch etwas eingedämmt, um Ressourcen zu schonen. Ich vermute, dass in Europa die Insekten mehr und mehr Bestandteil moderner Speisetische werden, auch wenn ich persönlich mich zu sehr ekle, um sie in meinen Speiseplan zu integrieren. Aber wenn es den Kindern schon von Beginn an beigebracht wird, könnte ich mir vorstellen, dass Insekten auch einen Beitrag dazu leisten werden, den Fleischkonsum zu reduzieren. Lassen wir uns überraschen.

Vielen Dank für das Interview!

Besuche die Seite der Pilzling GmbH

Was denkst du darüber?

Autorin / Autor: Redaktion, Katharina Behrendt; Bilder: Katharina Behrendt - Stand: 17. Juni 2025