Ey hör mal!

Autor: Gulraiz Sharif
Übersetzt von Sarah Onkels und Meike Blatzheim

Mahmoud lebt mit seiner pakistanischen Familie in Oslo. In den Sommerferien kommt sein Onkel aus Pakistan zu Besuch. Der Onkel ist irritiert, als Mahmouds kleiner Bruder Ali Schmuck und Nagellack trägt und sich Puppen wünscht. Schließlich erzählt Ali Mahmoud, dass er in seinem Kopf ein Mädchen ist.
Mahmoud ist sicher, dass der Onkel das keinesfalls erfahren sollte. Schließlich wird es schon schwer genug, mit ihrem Vater darüber zu sprechen…

Die Geschichte spielt in einem Plattenbauviertel in Oslo-Ost. Hier leben viele Menschen mit Migrationshintergrund, die meisten kennen sich, es wird viel getratscht.

Bemerkenswert ist die Sprache: Die Geschichte wird ohne regulierende Instanz direkt durch Mahmoud und in seiner jugendlichen Sprache erzählt. Es werden hippe deutsche und arabische Ausdrücke verwendet, beispielsweise nutzt Mahmoud sowohl den Ausdruck „ischwör“ als auch „Wallah“. Oft wendet er sich mit Anreden wie „Brudi“ direkt an das Lesepublikum.
Die Sprache wirkt auf mich witzig, teilweise auch grotesk durch Redewendungen wie „Kartoffeleltern“ und „Eierklappern“. Wenn man sich darauf einlässt, ist man dicht an Mahmouds Lebenswelt dran, die sich plausibel erschließt.

Mahmoud steht außerordentlich mutig für seinen kleinen Bruder ein. Obwohl die neue Situation für ihn nicht einfach ist, stellt er sich immer wieder schützend vor Ali. Dabei ist er ein Vorbild - sogar für seine Eltern.
Ali hingegen wirkt auf mich beinahe unglaubwürdig naiv. Er ist bereits 10 Jahre alt. Obwohl er mehrfach negative Reaktionen erlebt hat und Mahmoud ihm zunächst davon abrät, zeigt er sich wiederholt in femininem Schmuck und erwartet auch aus dem konservativen Umfeld positive Reaktionen. Das konnte ich nicht ganz nachvollziehen, diese Gutgläubigkeit hätte ich eher bei einem deutlich jüngeren Kind erwartet.

Der Onkel macht eine bemerkenswerte Entwicklung durch. Er ist offen für die liberalen Einstellungen in Norwegen. Anfangs als Gegner angelegt, entpuppt er sich später als Verbündeter.
Eine tragische Nebenfigur ist Arif, der Kumpel von Mahmoud. Er wächst benachteiligt auf und wird von seinen Eltern vernachlässigt. Bei einigen Schilderungen musste ich erstmal schlucken.
Alle Figuren stehen merklich unter einem großen familiären Erwartungsdruck.

Insgesamt vermittelt das Buch einen Einblick in den Alltag, die Wertvorstellungen und den Zwiespalt einer Familie mit arabischen Wurzeln in einem liberalen europäischen Land. Dabei kann es auch mal unbequem werden.
In diesem Buch kann man ein authentisches Vorbild finden. Schließlich gelingt der Spagat zwischen verschiedenen Lebenswelten.
Wenn man sich auf die originelle und ungefilterte Jugendsprache einlassen kann, ist dieses Buch empfehlenswert.

*Erschienen bei Arctis*

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Autorin / Autor: Claudia B. - Stand: 6. Juli 2022