Die Spur der Vertrauten
Autorin: Christelle Dabos
Übersetzt von: Amelie Thoma, Nadine Püschel
Alle haben einen Instinkt. Manche müssen Menschen beschützen, manche müssen müssen nähren, Dinge reparieren oder zuhören. Alle dienen mit ihren Instinkten dem "Wir" und wer besonders eifrig dient, kann in der Hierarchie aufsteigen. Indiviualität ist nicht angesagt, in der Welt, in der Claire lebt. Sie gehört zu denen, die zuhören müssen. Denn sie gilt als Vertraute. Aber Claire hat auch ein sehr gefährliches Geheimnis, das sie mit niemanden teilen kann und das auf keinen Fall bekannt werden darf. Als mehrere Schüler:innen spurlos verschwinden, tut sie sich mit dem Beschützer Goliath zusammen. Gemeinsam ermitteln sie und kommen einer Verschwörung auf die Spur. Als Claire sich freiwillig-unfreiwillig ins Rampenlicht begibt, auch, um ihrem eigenen Geheimnis auf die Spur zu kommen, bringt sie sich in große Gefahr.
Ich habe bei diesem Buch zunächst etwas anderes erwartet. Da ich die Autorin nicht kannte, dachte ich an eine eher konventionelle Dystopie für Jugendliche mit Spannung und ein bisschen Liebe. Das Cover passte für mich auch zu einem solchen Titel und hat diese Erwartung verstärkt. Auch den deutschen Titel, der im französischen Original "Nous" heißt, finde ich im Nachhinein etwas irreführend. Aber egal, denn eigentlich stimmt auch alles auf eine Weise, nur dass es viel besser war, als ich erwartet hatte.
Der Erzähltton ist trotz der eigentlich doch ziemlich gruseligen Welt, in der die jungen Protagonist:innen leben, leicht, cool und unbeschwert. Die Sätze sind kurz und klar, das Buch ist oft auf eine unaufdringliche Weise (sehr) witzig. Der Roman wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt und alle haben eine eigene und sehr authentisch wirkende Erzählweise. Es gibt keinen Pathos und selbst die unglaublichsten Dinge, die geschehen oder die die Figuren durchmachen müssen, kommen lapidar daher. Egal, ob eine Figur Kakerlaken fängt und isst (weil das ihr Instinkt ist) oder eine Figur mit einem Messer durch die Hand am Boden festgenagelt wird.
Kurzum: Es ist ein ganz besonderes Buch, einfach anders, dabei sehr gut lesbar, unterhaltsam, spannend, witzig und mit wirklich guten Figuren und vielen sehr originellen Einfälle. Vor allem aber mit einer äußerst fragwürdigen schönen neuen Welt, die durchaus das Zeug hat, Fragen aufzuwerfen.
Mein einziger Kritikpunkt war das Ende, das ein wenig unspektakulär über die Bühne geht, aber irgendwie passt das auch zu der ganzen Erzählart. Also, absolute Leseempfehlung, laut Verlag ab 14, aber nach oben auf jeden Fall offen!
Erschienen bei Rotfuchs
Autorin / Autor: luthien - Stand: 23. Oktober 2025