Die Optimierer

Autorin: Theresa Hannig

Was passiert in einer Gesellschaft, die für alle glaubt das Beste zu kennen, die immer das Optimum anstrebt und in allem durch Technik geleitet ist?

Eine Antwort kann der Roman von Theresa Hannig geben. Die Welt in der der Protagonist Samson Freitag lebt, ein Lebensberater im Staatsdienst, der für jede und jeden den geeigneten Platz bestimmen soll, ist geprägt durch den Fokus auf das Optimum (Optimalwohlökonomie) und ist als Zukunftsversion für das Jahr 2052 sehr gruselig ausgestaltet.

Durch die Technik, mit der das Optimum für jede Bürgerin und jeden Bürger bestimmt werden soll - und eher das Optimum für den Staat durch diese Bürgerinnen und Bürger - wissen die Lebensberater in der abschreckenden Zukunftsversion von Theresa Hannig alles, vom Outfit zur Abiturfeier bis hin zu Gesundheitsfragen oder beruflichen Erfolgen und Privatangelegenheiten, kurz: alles. Alles im Sinne des Optimums für alle, das versteht sich von selbst. Das Lächeln der Lebensberater ist nummeriert und läuft genauso nach Programm wie alles in der Welt in der Samson Freitag lebt.

Es wird stets betont, dass alles freiwillig sei, jedoch gleich darauf hingewiesen, dass Menschen, die die Lebensberatung ablehnen, normalerweise keinen Job erhalten, von Freiwilligkeit kann keine Rede sein. Die Menschen in der Welt von Samson Freitag kommunizieren nur noch über die Kommunikationslinse, die selbstverständlich auch "freiwillig" benutzt werden kann. Nur dass kaum ein Gespräch mit anderen möglich ist oder ein Beruf oder auch nur eine tägliche Erledigung ohne diese Linse; die Linse soll die Realität erweitern und steuern, nutzt sie jemand nicht, erscheint alles viel aufwändiger und regelrecht grau, kaum erträglich.

"Um dir den besten Platz zuzuweisen, muss ich als Lebensberater natürlich alles über dich wissen", dazu gehört ebenfalls die Wahl der Bücher, Freundschaften, sexuelle Ausrichtungen und alles, was Menschen normalerweise in ihrer Privatsphäre leben. Selbst die Gespräche mit dem Lebensberater werden gefilmt. Menschen, die sich nicht identifizieren lassen über ihr Profil oder an der Überwachung nicht teilhaben wollen, bekommen Hausarrest und werden "zu ihrem eigenen Schutz" abgehört.

Der Wert der Menschen in Theresa Hannigs Dystopie wird vor allem durch die Sozialpunkte bestimmt, daher ist jegliches Handeln der Menschen bestimmt durch die Frage, wie viele Sozialpunkte ein bestimmtes Verhalten bringt. Fällt der Wert unter eine bestimmte Punktezahl, werden diese Menschen automatisch aus allem ausgeschlossen und als potentiell kriminell gesehen. Genau dies wird es sein, was Samson Freitag passiert, das System, das er mitgestützt hat, wird sich mit aller Kraft gegen ihn richten und dabei sowohl für ihn wichtige Menschen ausschalten und sein Leben grundlegend beenden.
Vor allem der Schluss ist völlig anders als gedacht und war sehr überraschend, am Ende etwas zu plakativ, aber trotzdem interessant und - wie der ganze Roman- ziemlich gruselig, weil alles immer noch damit gerechtfertigt wird, dass nur das Beste von und für die Menschen erreicht werden soll.

Um mit diesem Zitat zu enden, das nicht nur für Samsons Welt einiges sagt: "Aber die Zufriedenheit der Menschheit als Ganzes können nur wir schaffen. Durch Optimierung! Der Kunde sollte von so viel Freundlichkeit dazu animiert werden, sein Innerstes nach außen zu kehren und Samson freimütig alles erzählen, was dieser wissen wollte. Alles genau durchgeplant. Alles wie auf Stichwort! Samson denkt: Ich soll den Schweinen das Schlachthaus schönreden".

Ein kleiner Hinweis zum Schluss: Die angesprochenen Themen sind sehr interessant, aber die Sprache im Roman von Theresa Hannig empfand ich als relativ hart, und es gibt auch viele Szenen, die besonders für Mädchen und Frauen mit Gewalterfahrungen schwierig sein könnten, auch wenn der Roman von einer Frau geschrieben wurde.

*Erschienen bei Bastei Lübbe*

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Autorin / Autor: Sabrina Bowitz - Stand: 8. Dezember 2017