Die linke Hand der Dunkelheit

Autorin: Ursula K. Le Guin
Übersetzt von: Karen Nölle

Schon seit gut einem Jahr ist Genly Ai, der Abgesandte des Weltenverbunds des Ekumen, in dem Königreich Karhide auf dem kalten Planeten Gethen. Seine Mission: die Bevölkerung davon überzeugen, dem Weltenverbund beizutreten. Doch inmitten der aktuell angespannten Lage zwischen den Staaten Karhide und Orgoreyn hat er es schwer, sich Gehör zu verschaffen. Als sein einziger Ansprechpartner Estraven, der Premierminister des Königs, des Verrats beschuldigt wird, muss Genly sich eine neue Strategie überlegen.

Meine Meinung zum Buch

"Die linke Hand der Dunkelheit" der hochgelobten Science-Fiction-Autorin Ursula K. le Guin weckt mit diesem Plot Neugier: eine Welt, in der sich dutzende Planeten einem Verbund angeschlossen haben, um Ressourcen auszutauschen; ein neuer Planet mit eigenartigem Klima und Gethenern, die alle androgyn sind; und ein einzelner Mensch, der auf diesen Planeten Gethen abgesandt wird, um diesen zum Beitritt zu überzeugen, sich aber hierbei an die Kommunikation mit diesem andersartigen Volk erst gewöhnen muss - das alles klingt nach einer fantastischen Basis für eine überzeugende Sci-Fi-Geschichte.
Doch leider wurde ich enttäuscht. Die Geschichte besteht hauptsächlich aus Genlys Bericht, einigen Tagebucheinträgen von Estraven und Mythen und Erzählungen aus Gethen. Zwischen den ersten zwei wird unangekündigt gewechselt, was teils irritierend war und letztere bieten meines Erachtens keinerlei Mehrwert für das Buch. Zu Estraven konnte ich leider keine Bindung aufbauen, und Genly fand ich schlichtweg unsympathisch. Die Irritation bezüglich der Zweigeschlechtlichkeit des Gethener Volks scheint verständlich, dass er grundsätzlich von ihm als positiv empfundene Eigenschaften als maskulin und negativ empfundene Eigenschaften als feminin bezeichnet, bis er ganz am Ende ein minimales Lernmoment hat, war die meiste Zeit frustrierend.

Vielleicht hätte dieses narrative Mittel zur feministischen Sci-Fi-Erzählung mehr Sinn ergeben, wenn das Buch einen Fokus auf das Thema (fehlende) Zweigeschlechtlichkeit gesetzt hätte, das war jedoch nicht wirklich der Fall. Auch wenn es ein eigentlich wichtiger Aspekt ist, bleibt es in der Geschichte nebensächlich und das Buch handelt hauptsächlich von Genlys Reise - eine Reise, die lang und langatmig ist. Kaum wird es etwas spannender, kommt ein Teil des Buchs, der zwar einige schöne Momente hat, den man aber ansonsten getrost hätte überspringen können.
Das Leseerlebnis wird zudem erschwert, weil das Buch schwierig zu lesen ist: es gibt viele erfundene Wörter, der Schreibstil ist holprig, uninteressante Stellen werden in übertriebenem Detail beschrieben und eine Legende für wichtige Dinge wie die politischen Strukturen in den Staaten oder eine Karte zum Nachverfolgen der Reise sucht man vergebens. Stattdessen gibt es auf den letzten Seiten des Buchs vier Seiten zur gethenischen Zeitrechnung, die man zwar nicht wirklich gebraucht hat, aber im Zweifel erst nach Ende der Geschichte findet.

Grundsätzlich gibt es einige spannende Ideen und Gedankengänge in Bezug darauf, wie der Terraner Genly Ai auf Gethen blickt und Gethen auf ihn und wie die gegensätzliche Fremdartigkeit wahrgenommen und kommentiert wird. Auch die zwei unterschiedlichen politischen Strukturen in Karhide und Orgoreyn hätten Potential, doch stattdessen passiert die meiste Zeit in der Geschichte nichts und ich habe überlegt, ob es nicht viel spannender gewesen wäre, von Genly Ais Eintreffen auf Gethen zu lesen, statt einer Reise nach einem Jahr.
So bietet "Die dunkle Hand der Dunkelheit" eine Geschichte mit vielen spannenden Ansätzen, denen die Erzählweise nicht gerecht wird und das Buch wäre wohl viel besser gewesen, wenn es nur halb so viele Seiten hätte.

*Erschienen bei FISCHER Tor*

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Autorin / Autor: Esma - Stand: 13. April 2023