Der Report der Magd

Autorin: Margaret Atwood
Gelesen von Vera Teltz, unterstützt von Charles Rettinghaus

In Gilead herrscht eine strenge Arbeitsteilung und eine noch strengere Separation zwischen Männern und Frauen. Auf der einen Seite stehen die Lohnarbeit und die Männer.
Auf der anderern Seite gibt es die Frauen, die verschiedene Aufgaben im Bereich der Reproduktionsarbeit übernehmen müssen. Jede Frau übernimmt dabei eine, nie aber alle Aufgaben.
Die Marthas beispielsweise arbeiten als Haushaltshilfen bei den Männern, die sich um Gilead verdient gemacht haben und bei ihren Ehefrauen, die hauptsächlich an ihrer Seite stehen und stricken oder sich mit anderen Ehefrauen treffen.
Und dann gibt es noch die Mägde.

In Gilead, der Republik auf dem ehemaligen Gelände der USA, sind die meisten Menschen unfruchtbar und so kommt den Mägden die Aufgabe der Gebärmaschine der Republik zu. Im roten Zentrum, in dem sie ausgebildet werden, lernen sie, dass sie ein Gefäß sind, ein Behälter, in dem Leben heranwachsen soll und das sie selbst eigentlich nichts zählen. Dies alles wird als Plan eines Gottes verkauft und wenn sie nicht gebären, dann droht ihnen der Tod an "der Mauer" oder die Verbannung in die strahlenverseuchten Kolonien.

Margaret Atwood zeichnet in ihrem 1985 erschienen Roman die erschreckende Dystopie einer Gesellschaft, in der Frauen unterdrückt werden, das Bild einer scheinbar extrem religiösen Gesellschaft in der jeder und jede alle anderen bespitzelt. Der Roman ist als Tagebuch aus Sicht der Magd Desfred geschrieben und wird von Vera Teltz sehr einfühlsam und spannend vorgelesen.
Sie schafft es, dass man Desfred die Müdigkeit und Ungläubigkeit, die Angst und die Gleichgültigkeit abkauft, die sie angesichts ihres neuen Alltags empfindet. Denn Desfred gehört zu der ersten Generation an Mägden, der Generation, die noch die Zeit davor kennt.
Diese Zeit endete, als die Söhne Jakobs putschten. Von einem auf den anderen Tag durften Frauen nichts mehr besitzen und keiner Arbeit gegen Geld mehr nachgehen. Und mit der Zeit kommen mehr Regeln dazu, bis Frauen komplett in die häusliche Sphäre zurückgedrängt werden und ihnen alles verboten ist, auch das freie Denken.

Gerade die kleinen Ausflüge in die Vergangenheit, auf die uns die Erzählerin immer wieder mitnimmt, hinterlassen ein mulmiges Gefühl, denn es wird klar, dass Gilead auf einen "ganz normalen" westlichen Staat folgte. Und durch die Reflektionen von Desfred wird auch klar, dass sie sich immer wieder bei Gedanken ertappt, Frauen mit "zu viel" Freiheit zu verurteilen. Der Gedanke, wie man selbst wohl handeln würde, wie leicht es einem fiele, sich den strengen Auflagen und Regeln zu beugen, verfolgt einen durch die gesamte Geschichte.

Neben den Episoden aus der Vergangenheit nimmt Vera Teltz als Desfred uns mit in den Alltag der Magd. Auf die Einkaufstouren, die sie zusammen mit einer anderen Magd erledigt, auf die Besuche bei dem Kommandanten, dem sie zugeteilt ist und der das mit den Regeln bei sich selbst nicht so eng sieht. Zu geflüsterten und ersehnten Unterhaltungen mit anderen Mägden und zu öffentlichen Verurteilungen und Spektakeln. 

Die von Margaret Atwood erdachte Dystopie wird so eindrücklich beschrieben, dass man das Gefühl hat, Gilead könne jeden Moment Wirklichkeit sein. Der Gedanke jagt einem das eine oder andere Mal einen Schauer über den Rücken und ich war froh, die CDs von Zeit zu Zeit unterbrechen zu können, um in die Uni oder arbeiten zu gehen, mich mit Leuten zu treffen und auch ansonsten zu machen, was ich will. Die Autorin schafft es, einem die eigenen Privilegien aber auch die Ungleichheiten, die sich auch in unser Gesellschaft finden, vor Augen zu führen und zu verdeutlichen.

Die Fortsetzung die dieses Jahr von Margaret Atwood erschienen ist und die auch schon vom Hörbuch Hamburg Verlag vertont wurde, wird auf jeden Fall auf meiner weihnachtlichen Wunschliste landen.

*Erschienen bei Osterwold*

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Autorin / Autor: karla94 - Stand: 08. November 2019