Dein Leben auf facebook

facebook führt umstrittene "Timeline" verpflichtend ein

"Erzähle deine Lebensgeschichte mit einem neuartigen Profil." Mit diesen Worten bewirbt facebook seine "Timeline" (Chronik), die in den nächsten Wochen verpflichtend für alle Nutzer eingeführt werden soll. Wenn es soweit ist, erhalten die Nutzer, sobald sie dann ihr Profil besuchen, eine Frist von sieben Tagen, in denen sie ihre persönliche Lebenschronik nochmal für die aufpolieren können, denen sie auch jetzt Zugang zu ihrem Profil erlauben.

Timeline sortiert hochgeladene Fotos und Einträge chronologisch in einem Zeitstrahl. Das soll das Profil hübscher für die Besucher machen und das eigene Leben auf Facebook von Anfang bis zum Ende nachvollziehbar dokumentieren.

Datenschützer stehen facebooks neusten Coup kritisch gegenüber. Sie befürchten, dass die Nutzer sich zwecks Gestaltung ihrer Timeline gedrängt fühlen, noch mehr Daten preis zu geben, als sie es normalerweise tun würden - nur um ihren Lebenslauf lückenlos zu gestalten: von der Geburt bis zum ersten Babybrei, von der Konfirmation bis zum ersten eigenen Auto, vom Urlaub bis zum Freizeitsport.

Problematisch ist auch, dass den Nutzern recht wenig Zeit bleibt, ihre Inhalte chroniktauglich aufzubereiten und ihnen auf die Schnelle abverlangt wird, zu entscheiden, wie sie ihr (facebook-)Leben ihren (facebook-)Freunden gegenüber präsentieren möchten. Denn die Chronik bildet zunächst alles ab, was der Nutzer auf facebook so getrieben hat: 2008 Status auf Single gestellt, 2009 durch die Führerscheinprüfung gefallen, 2011 voll witziges Video von der letzten Party geteilt, 2010 "Gefällt mir" für XY gewählt ... Dinge, die vorher für die Besucher des Profils nicht so einfach auffindbar waren.

Alle facebook-Nutzer werden also in absehbarer Zeit gezwungen sein, sich mal ausgiebig mit ihren bisherigen facebook-Aktivitäten zu beschäftigen und sich zu fragen, ob sie wirklich zu allen "Likes" und Kommentaren und Statuseinstellungen der Vergangenheit stehen können und wollen. Der Mensch ändert sich schließlich und nicht alles sollte in "timeline" gemeißelt sein, was man mit 15 aus einer Laune heraus gepostet hat.

Vergegenwärtigt euch also, ehe ihr euer ganzes Leben in facebooks Hände legt, dass ihr anderen nicht unbedingt eure Vergangenheit offenlegen solltet, von der ihr morgen vielleicht selbst nichts mehr wissen wollt.

Das dringende Bedürfnis, das eigene Leben zu dokumentieren, lässt sich dann doch besser wunderbar altmodisch in einem stinknormalen Fotoalbum ausleben. Das kann man dann zeigen, wem man will oder auch nicht. Und wenn man die Nase voll davon hat, kann man es im Kamin verfeuern und sich ganz sicher sein, dass es dann auch wirklich und für immer weg ist.

Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 27. Januar 2012